In Hamburg und Umgebung gibt es viele Anwälte, die sich auf das
Arbeitsrecht spezialisiert haben oder dies als ihren Interessenschwerpunkt
angeben. Wir haben eine besondere Spezialisierung vorgenommen: Wir vertreten
im Arbeitsrecht nur die Arbeitnehmerseite, also die Beschäftigten und ihre
Interessenvertretungen. Zu einseitig? Wir meinen nein.
Gerade im Arbeitsrecht spielen aktuelle Gerichtsurteile oft
eine entscheidende Rolle. Hier die richtige für den jeweiligen Mandanten herauszufiltern,
setzt voraus, den Blick auf die jeweilige
Interessenlage zu richten. Das haben wir uns zur Aufgabe gemacht. Beachten
Sie auch unsere Seiten
"Rechtsprechung
im Kündigungsrecht" sowie "Gleichbehandlung
im Arbeitsleben".
Gaidies Heggemann & Partner sind eine der vier führenden Arbeitsrechtskanzleien
für Arbeitnehmer in
Hamburg. Durch die langjährige Tätigkeit und unsere Spezialisierung sind uns
selbstverständlich die Vertreter von Verbänden und Anwälte "der Gegenseite"
bekannt. In vielen Fällen ein wesentlicher Vorteil, gerade wenn es um
erfolgreiche Verhandlungen geht, auch außerhalb des Gerichts.
Die Fülle von Gerichtsverfahren führt natürlich zu
ständigem Kontakt mit den Richterinnen und Richtern des Hamburger
Arbeitsgerichts. Hier sind wir anerkannt und geschätzt, auch wegen
der Erfahrung über viele Jahre. Zu aktuellen Entscheidungen im
Arbeitsrecht und der Entwicklung der Rechtsprechung
veröffentlichen wir regelmäßig unseren NewsLetter für
Betriebsräte oder nehmen jeweils aktuell auf dieser Seite Stellung.
Bei Interesse können Sie
uns gerne anrufen oder über unser
Kontaktformular eine Nachricht schicken.
Seminare für Betriebsräte nach § 37 Abs. 6 BetrVG siehe
unter
www.seminare37absatz6.de
Seminarkatalog 2017 als pdf

Abfindung nach Kündigung in Hamburg
Wie hoch ist die Abfindung, wenn mir gekündigt wurde?
Eine entscheidende Frage für jeden Betroffenen, die leider häufig falsch
oder ungenügend beantwortet wird. Gibt man die entsprechenden Stichworte bei
google ein, lautet die erste Antwort - jedenfalls bei wikipedia - die Höhe
der Abfindung richtet sich nach dem Prozessrisiko und der Qualität der
anwaltlichen Vertretung. Soweit - fast - richtig, aber im Nachsatz wird dann
nur auf § 1a KSchG verwiesen, also das “halbe Bruttomonatsgehalt pro
Beschäftigungsjahr”. Das ist ebenso missverständlich, wie in vielen Artikeln
im Internet oft von der sog. “Regel-Abfindung” gesprochen
wird, die nach einer Kündigung zu zahlen ist.
Ist also das “halbe Gehalt” die Regel? Nein und zwar mit Abweichungen nach
oben, wie nach unten. Die Regel ist zwar - auch in Hamburg -, dass in der
Güteverhandlung vor
dem Arbeitsgericht oft das “halbe Gehalt pro Jahr” vorgeschlagen wird, wenn
der Streit noch nicht vertieft, also noch nicht alles vorgetragen wurde
(Achtung: in Schleswig-Holstein und Niedersachsen ist die “Regel” nur ein
Viertel Monatsgehalt pro Jahr). Das ist aber nur ein Vorschlag des Gerichts.
Diesem kann man folgen, muss es aber nicht. Tatsächlich richtig ist, dass
die Aussichten auf eine hohe Abfindung (bis zu einem vollen Monatsbrutto pro
Jahr) entscheidend von den Erfolgsaussichten im Prozess abhängen.
Hat der Arbeitgeber eine eindeutig falsche Sozialauswahl
vorgenommen oder kann er z.B. nicht (negative) Auswirkungen auf den
konkreten Arbeitsplatz nachweisen, steigt die Abfindung entsprechend. Der
Grund ist einfach: Im entscheidenden Gerichtstermin, also oft 5 - 6 Monate
nach der Güteverhandlung, kann die Kündigung “kippen”. Dann muss der
Arbeitgeber nachzahlen, falls die Kündigungsfrist schon abgelaufen ist und
den Arbeitnehmer wieder einstellen. Hier summieren sich also die Gehälter
und kommen also Risiko noch dazu, weil eben nicht gesagt ist, dass dann eine
erneute Kündigung mehr Erfolg bietet.
Die “Regelabfindung” gibt es also nicht, sondern mit Hilfe qualifizierter
Anwälte, die im Arbeitsrecht erfahren sind, steigt der Abfindungsanspruch
deutlich. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf und erfahren schon in einem ersten
Telefonat, wie wir die Chancen einschätzen.
Verfasser: Fachanwalt für
Arbeitsrecht Wolfgang Steen, Hamburg
Vulkanasche, Arbeitsausfall und Freistellung
Der
Vulkanausbruch in Island legt zur Zeit den gesamten Flugverkehr in Europa
lahm. Die Fluggesellschaft SAS hat bereits angekündigt am Montag alle
Mitarbeiter ohne Bezahlung freizustellen (Zeit online v. 17.04.). Die Frage
ist, ob in solchen Fällen der höheren Gewalt trotzdem ein Vergütungsanspruch
besteht, auch wenn die Arbeit ausfällt. In Deutschland regelt das BGB, wer
das allgemeine Betriebsrisiko trägt. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht
schon mit Urteil vom 13.06.1990 - 2 AZR 635/89 - ausgeführt, dass der
Arbeitgeber das Risiko der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu tragen hat,
jedenfalls wenn betriebliche Gründe vorliegen. Nichts anderes gilt, so das
BAG, wenn Ursachen von außen einwirken, sich also für den Arbeitgeber als
ein Fall “höherer Gewalt” darstellen, z.B. Naturkatastrophen (Erdbeben,
Überschwemmungen, Brände usw.), Unglücksfälle sowie extreme
Witterungsverhältnisse. Die Abgrenzung besteht in Fällen, in denen es
lediglich dem Arbeitnehmer nicht möglich ist, etwa wegen Schneeverwehungen
oder Eisglätte seinen Arbeitsplatz erreichen zu können (Wegerisiko). Legt
aber eine Naturkatastrophe alle Aktivitäten lahm, z.B. an Flughäfen, liegt
das Risiko des Arbeitsausfalls beim Arbeitgeber. Letztlich handelt es sich
bei dem Arbeitsausfall durch den Vulkanausbruch um eine weder vom
Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer verschuldete Betriebsstörung, die nach §
615 BGB trotzdem zum Anspruch auf Vergütung des Arbeitnehmers führt. Dennoch
ist natürlich den Beschäftigen von Airlines und Flughäfen zu raten, trotzdem
zur Arbeit zu gehen und die Arbeitskraft anzubieten. Auch wenn keine
Fluggäste abzufertigen sind, werden sich andere Arbeiten, die liegen
geblieben sind, immer finden.
Verfassser: Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen, Hamburg
Bundesarbeitsgericht kippt Pauschale bei
Überstunden
„Erforderliche Überstunden sind mit dem Gehalt
abgegolten.“ Diese oder ähnliche Klauseln enthalten viele
Arbeitsverträge. Ein Betroffener klagte bis zum BAG. Er erhielt € 3.000
brutto für 45 Stunden die Woche (38 Normalarbeitsstunden und 7
Mehrarbeitsstunden). Darüber hinaus enthielt der Vertrag die o.g. Klausel.
Jetzt klagte er insg. 102 Guthabenstunden seines Arbeitszeitkontos ein und
hatte in allen drei Instanzen Erfolg.
Transparenz erforderlich
Das Bundesarbeitsgericht: „Die im Arbeitsvertrag geregelte Pauschalabgeltung
von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam.“ In der
Begründung heißt es: Eine solche Klausel unterliegt der Transparenzkontrolle.
Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die
Bedingung nicht klar und verständlich ist. ("Wie viele Überstunden?
Mit welcher Bezahlung?) Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau
beschrieben werden, dass kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum
entsteht. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass
der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird.
Die Klausel darf keine vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume enthalten..
(Urteil vom 01.09.2010 Aktenzeichen 5 AZR 517/09)
Fazit: Trotz einer solchen Klausel kann die Bezahlung von
Überstunden eingefordert werden. Allerdings sind dort, wo Tarifverträge
gelten, die Ausschlussfristen zu beachten.
Alle Jahre wieder … die selbe Frage:
Bekomme ich Weihnachtsgeld oder ist der Chef dieses Jahr
zurückhaltend. Was aber, wenn ich jedes Jahr das
Weihnachtsgeld bekommen habe, gibt es da nicht eine
betriebliche Übung? Passend zur Jahreszeit hatte auch das
Bundesarbeitsgericht (BAG) einen solchen Fall vorliegen. Ein
Ingenieur bekam in den Jahren 2002 bis 2007 jeweils ein
Bruttogehalt als Weihnachtsgeld. Im Arbeitsvertrag hieß es,
solche Leistungen erfolgten “freiwillig und ohne jede
rechtliche Verpflichtung”. Ein Vorbehalt war allerdings
nicht erklärt worden. Als die Zahlung 2008
nicht erfolgte, klagte der
Ingenieur. Das BAG gab ihm recht (Urteil v. 08.12.2010 - 10
AZR 671/09). Die Klausel im Vertrag sei wie Allgemeine
Geschäftsbedingungen auszulegen. Diese müssten allerdings
klar und verständlich sein. Das sei bei einem allgemeinen
Freiwilligkeitshinweis nicht der Fall. Das Gericht: Die
Klausel kann auch so verstanden werden, dass sich der
Arbeitgeber “aus freien Stücken” zu der Leistung
verpflichten wollte. Hat er hingegen über Jahre das
Weihnachtsgeld gezahlt, ist dies ein regelmäßiges Verhalten,
das nicht durch eine mehrdeutige Klausel entwertet wird.
Gleichbehandlung + + + Gleichbehandlung + + +
Gleichbehandlung
Gleichbehandlung in der Arbeitswelt sollte eigentlich
eine Selbstverständlichkeit sein. Inzwischen legt das AGG -Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz - die Maßstäbe fest. Viele Urteile liegen dafür vor:
Teilzeitwunsch muss
entsprochen werden
Ein Arbeitgeber muss einen Teilzeitwunsch auch dann
genehmigen, wenn die Mitarbeiterin wegen der
Kinderunterbringung nur bis Mittag arbeiten will
(Quelle: Kieler Nachrichten).
Dem Landesarbeitsgericht in Kiel lag der Antrag auf
Einstweilige Verfügung vor, bei dem die Mitarbeiterin nicht
im betriebsüblichen Wechsel von Vormittags- und
Nachmittagsschicht arbeiten wollte. Der Grund: Die Frau
konnte nicht auf Ehemann und Verwandte zur Versorgung ihres
Kindes zurückgreifen. Das Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein entschied
nun für die
Klägerin (Urteil v. 20.12.2010; Az.: 3 SaGa 14/10). Die
Besonderheit war, dass die Frau - bereits seit über zehn
Jahren als Änderungsschneiderin beschäftigt - nach der
Elternzeit nur für drei Tage Platz in einer
Kindestagesstätte fand. Sie beantragte deshalb eine
Teilzeittätigkeit an drei Tagen ohne Nachmittagsschicht. Der
Arbeitgeber lehnte dies aus organisatorischen Gründen ab.
Auch Teilzeitbeschäftigte müssten die Nachmittagsschicht mit
abdecken. Nicht beweisen konnte der Arbeitgeber, dass der
Einsatz einer Ersatzkraft nicht möglich war. In erster
Instanz war der Eilantrag der Klägerin noch aus formalen
Gründen abgewiesen worden, weil sie die Antragsfrist nicht
eingehalten hatte. Das LAG entschied dagegen, ein
Teilzeitverlangen, das die gesetzlich geregelte
Ankündigungsfrist von drei Monaten nicht wahrt, sei nicht
unwirksam. Es führe nur dazu, dass nicht bereits ab Ende der
Elternzeit, sondern erst drei Monate nach Antrag die
Teilzeit begonnen werden konnte.
Putzfrau muss in Rente -
keine Altersdiskriminierung
Dürfen Arbeitgeber ihre Angestellten automatisch in Rente schicken? Das war
die Frage, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall einer Putzfrau zu
entscheiden hatte, die auf Grund tarifvertraglicher Regelungen
(Gebäudereiniger) mit 65 in den Ruhestand gehen sollte. Sie hatte 39 Jahre
lang die Kaserne in Hamburg-Blankenese gereinigt und zuletzt in diesem
Teilzeitjob EUR 307 im Monat verdient. Als sie der Arbeitgeber nicht
weiterbeschäftigen wollte, sah sie darin eine Altersdiskriminierung. Der
EuGH hielt die Tarifregelung für rechtmäßig (Az: C-45/09).
Die Richter wiesen darauf hin, dass solche Klauseln seit langem Teil des
Arbeitsrechts und durchaus üblich sind. Die Regeln gäben Arbeitgebern und
Arbeitnehmern Planungssicherheit. Zudem müsse ein Unternehmen für die in
Frage stehende deutsche Regelung die Zustimmung des Mitarbeiters einholen.
Die Putzfrau muss jetzt von einer monatlichen Rente von netto 228,26 Euro
“leben”.
Interessant ist, dass in einem zweiten Fall anders entschieden wurde.
Geklagt hatte ein Sachbearbeiter einer Verwaltung in Dänemark. Er wollte
nicht die vorgezogene Rente (mit 63) in Anspruch nehmen, sondern bis 65
weiter arbeiten, um eine höhere Rente beziehen zu können. Als er dennoch
entlassen wurde, klagte er auf Entlassungsentschädigung. Die EuGH-Richter
hielten hier die Klausel zur Altersfrage für ungültig. Ein Arbeitgeber müsse
einem Arbeitnehmer nach dessen Entlassung auch dann eine Abfindung zahlen,
wenn dieser bereits alt genug sei, um eine Altersrente zu beziehen. Die
Verweigerung der Abfindung wegen des Rentenalters bedeute eine
Altersdiskriminierung (Az: C-499/08). Die Fragen zur Altersdiskriminierung
bleiben also spannend. Vor kurzem hatte das Arbeitsgericht Hamburg in zwei
Fällen (Versicherungswirtschaft und U-Bahngesellschaft) entschieden, es gäbe
keine Gründe für eine Zwangspensionierung. Vorhandene Arbeit werde nur zu
Lasten der Älteren umverteilt.
Verfasser: Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen, Hamburg
Diskriminierung bei Jobsuche
Mit 49 Jahren war eine Frau angeblich zu alt, um beim Uniklinikum
Heidelberg als Sekretärin zu arbeiten. Wie heute mehrere Zeitungen
berichten, hatte die 49jährige Bewerberin ihre Bewerbungsunterlagen mit
einem handschriftlichen Hinweis zurückbekommen: “zu alt, geb. 61″. Sie
zog vor das Arbeitsgericht und bekam jetzt ein Schmerzensgeld als
Schadenersatz. Durch Vergleich wurde eine Entschädigung von EUR 10.870
festgelegt. Eine Klinikvertreterin sagte, man wisse nicht, wie dies habe
geschehen können. «Bei uns geht es nicht nach Alter.» … Oder eben doch! Hier
dürfte auch der maximale Schadenersatz von drei Monatsgehältern nach § 15
Abs. 2 AGG geflossen sein. Vielleicht macht es doch Sinn, in Zukunft auf
‘anonyme’ Bewerbungen umzustellen, wie jetzt in einem Modellversuch des
Bundesministeriums getestet wird.
Verfasser: Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen, Hamburg
Arbeitsgericht -
Entlassungsentschädigung bei Diskriminierung
Das Landesarbeitsgericht Bremen hat sich vorgewagt: Auch wegen einer
Kündigung kann es zu einer Entschädigung bei Verstoß gegen das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz kommen. Das AGG verbietet Diskriminierungen u.a. aus
Gründen der „Rasse“ und der ethnischen Herkunft. Dementsprechend sind durch
das AGG auch Benachteiligungen wegen dieser Merkmale verboten (§ 1 AGG).
Andererseits enthält das Gesetz selbst eine Einschränkung. Nach § 2 Abs. 4
AGG soll für Kündigungen nur das Kündigungsschutzgesetz gelten. Dem Gericht
lag jetzt der Fall der Probezeitkündigung einer Frau mit russischem Akzent
vor. In einem Gespräch des Geschäftsführers mit ihr sollen die Worte
gefallen sein, die Kunden würden sich wegen des russischen Akzentes
“erschrecken” und würden denken: „Was für ein Scheiß-Laden, in welchem nur
Ausländer beschäftigt werden.“ (Das Arbeitsgericht hatte dazu Zeugen gehört
und ging davon aus, dass solche Äußerungen gefallen sind.) Das LAG
hatte jetzt zu bewerten, wie die verschiedenen Regelungen des AGG in
Verbindung stehen. Der Hinweis auf den Vorrang des Kündigungsschutzgesetzes
steht schließlich im Widerspruch dazu, dass nach dem AGG auch
diskriminierende „Entlassungsbedingungen“ verboten sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 2
AGG). So kam das LAG zu dem Ergebnis, dass die
Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG es nicht verbietet, eine
Geldentschädigung zuzusprechen, wenn aus diskriminierenden Gründen gekündigt
worden war (LAG Bremen v. 29.06.2010, 1 Sa 29/10). Die Indizien dieser
Diskriminierung konnten auch vom Arbeitgeber nicht widerlegt werden. Als
Entschädigung wurden schließlich EUR 5.400, hier: 3 Monatsgehälter,
festgesetzt.
Verfasser: Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen, Hamburg
Bewerbung anonym?
Ganze 5
Unternehmen nehmen an einem Pilotprojekt der Bundesregierung teil - anonyme
Bewerbungen. Eine interessante Idee, dass Bewerber nicht unter Vorurteilen
leiden sollen. Praktisch heißt das: im Lebenslauf fehlen sämtliche Daten.
Alter oder Geschlecht sind ebenso unbekannt, wie die Nationalität. Also kein
Geburtsdatum, kein Hinweis auf die Ausbildung oder Fremdsprachenkenntnisse.
Das führt wozu? Sicher werden mehr Bewerber zum Vorstellungsgespräch gebeten
(wenn man dann den anonymen Namen aufdeckt). Und dort erfolgt sowieso das
persönliche Kennenlernen. Also keine Jobgarantie und wohl auch keine
Garantie, dass nicht bei der endgültigen Auswahl eben doch ‘Persönliches’
einwirkt. Auch sind die beteiligten Unternehmen - Deutsche Post, Deutsche
Telekom, L´Oréal, Mydays, Procter & Gamble - keineswegs so “mutig” wie
gedacht. Oft wird nur eine Sparte (Kosmetikprodukte) einbezogen oder dieses
Verfahren nur bei Auszubildenden angewandt.
Die echte Gleichbehandlung wird es wohl erst geben, wenn der Job-Motor
wieder rund läuft und die Wirtschaft händeringend nach Arbeitskräften sucht.
Bis dahin kann - unterlegenen - Bewerbern nur geraten werden, hellhörig zu
sein, ob nicht Indizien für eine Un-gleichbehandlung herauszuhören sind.
Verfasser: Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg
Schadenersatz bei
Stellenanzeigen nur für "Junge"
Für
Arbeitgeber, die in Stellenanzeigen nach “jungen” Mitarbeitern suchen, kann
es teuer werden. Das Bundesarbeitsgericht entschied jetzt, dass solche
Anzeigen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen. (Urt. v.
19.08.2010 - 8 AZR 530/09). In dem Fall hatte eine Firma “eine(n)
junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen” gesucht. Der Kläger, 49
Jahre alt, war abgelehnt worden. Stattdessen wurde eine 33-jährige
Kandidatin eingestellt. Weil die Ausschreibung nicht “altersneutral” war und
die Firma nicht beweisen konnte, trotzdem unabhängig vom Alter entschieden
zu haben, erkannte das BAG auf eine Entschädigung in Höhe eines
Monatsgehalts. Nicht anerkannt wurde die Forderung nach einem Jahresgehalt
als Schadenersatz. Dafür hätte nachgewiesen werden müssen, die Stelle bei
diskriminierungsfreier Auswahl auch tatsächlich bekommen zu haben (was in
der Praxis natürlich schwierig bis unmöglich ist). Wer also Schadenersatz
verlangen will, muss sich rechtzeitig beworben haben, über die geforderte
Qualifikation verfügen (so ein anderes Urteil von heute -Az: 8 AZR 466/09)
und Indizien benennen, die auf Diskriminierung schließen lassen.
Verfasser: Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg
Arbeiten bis 65 - oder
länger?
Eine lebhaft
diskutierte Frage im Arbeitsrecht ist, ob ein Arbeitsverhältnis automatisch
im Alter von 65 enden kann. Häufig sehen die Arbeitsverträge, aber auch
tarifliche Regelungen vor, dass “mit Erreichen der Regelaltersgrenze,
spätestens mit dem 65. Lebensjahr” Schluss ist. Die Frage ist vor allem
deshalb interessant, weil durch das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) eben die Diskrimierung wegen Alters ausgeschlossen sein muss. Aber,
wie immer gibt es Ausnahmen. So sieht selbst das AGG - in
§ 10 Satz
3 Nr. 5 - die Möglichkeit einer unterschiedlichen Behandlung des Alters
vor, also auch eine Vereinbarung zur Beendigung von
Beschäftigungsverhältnissen (ohne Kündigung), wenn im Anschluss Altersrente
bezogen werden kann. Hintergrund für diese gesetzliche Ermächtigung, die das
AGG schafft, ist, beschäftigungspolitische Ziele zu verfolgen, etwa die
Eindämmung von Arbeitslosigkeit.
Aktuell liegt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Anfrage vor, ob die
in Deutschland getroffene Ausnahme-Regelung zulässig ist. Nach dem
vorliegenden Schlussantrag der Generalanwältin muss davon ausgegangen
werden, dass diese Regelung akzeptiert wird, also kein Verstoß gegen die
Richtlinie 2000/78 vorliegt. Interessant ist allerdings der Hinweis, der den
Tarifvertragsparteien gegeben wird. So sollen diese in Zukunft “vor der
Vereinbarung von Rentenregelaltersgrenzen stets prüfen, ob diese im Hinblick
auf die Verfolgung der (beschäftigungspolitischen) Ziele objektiv
gerechtfertigt sind”. Auch muss eine solche Prüfung gerichtlich
kontrollierbar sein.
Übrigens hatte sich das Arbeitsgericht Hamburg in einem Urteil, die
Altersgrenze in der Versicherungswirtschaft betreffend, auf die Seite der
Kritiker geschlagen. Konkret führt das Gericht aus, “es werde keine neue
Arbeit geschaffen, sondern nur vorhandene Arbeitsplätze zu Lasten der
Älteren umverteilt” (Urteil vom 22.09.2009 - 21 Ca 352/08).
Verfasser: Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen, Hamburg
Aufhebungsvertrag - nur
für Jüngere?
Mit dieser
Entscheidung zur Gleichbehandlung war zu rechnen: das Bundesarbeitsgericht
musste sich mit dem Fall auseinandersetzen, dass ein 57-jähriger
Arbeitnehmer nicht in den Genuss kam, freiwillig gegen Abfindung
auszuscheiden. In dem Unternehmen galt der tarifliche Ausschluss von
Kündigungen für über 55-Jährige. Die Firma behielt sich ausdrücklich vor,
den Wunsch auf freiwilliges Ausscheiden abzulehnen. Als der Kläger die
Aufhebung verlangte, lehnte die Firma ab. Die Klage auf Abfindung wegen
Gleichbehandlung blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Das
Bundesarbeitsgericht lapidar: “Das neu geschaffene Diskriminierungsverbot
verfolgt gerade den Zweck, älteren Arbeitnehmern den Arbeitsplatz zu
erhalten.” Eine unmittelbare Benachteiligung wegen Alters sei darin nicht zu
sehen (BAG vom 25.02.2010 - 6 AZR 911/08). Der Kläger konnte auch nicht
nachweisen, dass etwa anderen Arbeitnehmern in seinem Alter solche
Aufhebungsangebote gemacht worden waren.
Die Lehre, die aus solchen Fällen zu ziehen ist: In Vereinbarungen mit dem
Betriebsrat kann ein freiwilliges Ausscheiden natürlich für alle
Altersgruppen vorgesehen werden. Immerhin vermeidet jeder “Freiwillige”,
dass später Kündigungen ausgesprochen werden.
Verfasser: Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg
Elternzeit und
Vollzeitabfindung
Wer in der
Elternzeit entlassen wird hat trotz Teilzeit Anspruch auf eine
Vollzeitabfindung. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem
Fall aus Belgien entschieden. Die Klägerin war zunächst unbefristet in
Vollzeit beschäftigt und hatte aktuell während der Elternzeit in Teilzeit
gearbeitet. Als das Unternehmen ihr kündigte, sollte die
Entlassungsentschädigung nur auf Basis des Teilzeitgehalts gezahlt werden.
Der EuGH sah darin einen Verstoß gegen die europäische Richtlinie zum
Elternurlaub und erkannte den Anspruch auf Berechnung der Abfindung auf
Vollzeitbasis an. Nach der Richtlinie bleiben für Arbeitnehmer im
Elternurlaub die bestehenden und künftigen Rechte erhalten. Der EuGH betonte
ausdrücklich, dass der Elternurlaub nicht mit Nachteilen verbunden sein
dürfte - im Interesse der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. (EuGH vom
22.10.2009, C-116/08)
Dieser Grundsatz dürfte sich auch im deutschen Arbeitsrecht schnell
herumsprechen. Auch hier kommt es bei Entlassungen und Abfindungen immer
wieder zur Benachteiligung derjenigen, die Elternurlaub in Anspruch genommen
haben.
Verfasser: Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg
Interne
Stellenausschreibung - unzulässige Altersdiskriminierung
Wird eine
interne Stellenausschreibung auf “Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr”
reduziert, liegt eine unzulässige Altersdiskriminierung vor. Das hat das
Bundesarbeitsgericht jetzt in einem Fall entschieden, in dem der Betriebsrat
gegen diese Stellenausschreibung vorgegangen ist. Das BAG: Wenn dieser
beabsichtigte Einsatz von Berufsanfängern lediglich dazu dient, Kosten zu
sparen, verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflicht zur
diskriminierungsfreien
Stellenausschreibung.
In dem Fall ging es um eine Drogeriekette und die
Ausschreibung war mit der Angabe versehen “Tarifgruppe … / erstes
Berufsjahr”. In dem Betrieb sind Mitarbeiterinnen im 1. Berufsjahr
durchschnittlich 29 Jahre alt, im 2. Berufsjahr steigt das Alter auf 36
Jahre an. Das BAG: “Der Arbeitgeber muss auf die Angabe verzichten. Eine
solche Beschränkung stellt eine unzulässige mittelbare Benachteiligung dar.”
Die vom Arbeitgeber gegebene Begründung des knappen Personalbudgets ist
offensichtlich ungeeignet. Hiergegen konnte der Betriebsrat gemäß § 17 Abs.
2 AGG vorgehen. (BAG vom 18.8.2009, 1
ABR 47/08)
Verfasser: Wolfgang
Steen - Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg
AGG-Beschwerdestelle
mitbestimmungspflichtig
„Der
Betriebsrat hat mitzubestimmen bei der Einführung und Ausgestaltung des
Verfahrens, in dem Arbeitnehmer ihr Beschwerderecht nach dem AGG wahrnehmen
können.” Dies hat das Bundesarbeitgericht jetzt grundsätzlich festgestellt.
Es geht darum, dass der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 5 AGG die für Beschwerden
zuständige Stelle im Betrieb bekannt machen muss. Die Beachtung eines
bestimmten Verfahrens, um sich zu beschweren, ist allerdings nicht
borgeschrieben. Die Einführung und
Ausgestaltung fällt aber nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter
die Mitbestimmung des Betriebsrates. Das BAG hierzu: …… “Der Betriebsrat
kann zu diesem Zweck selbst initiativ werden und ein Beschwerde-verfahren
über eine Einigungsstelle durchsetzen. Dagegen hat er kein
Mitbestimmungsrecht bei der Frage, wo der Arbeitgeber die Beschwerdestelle
einrichtet und wie er diese personell besetzt. Hierbei handelt es sich um
mitbestimmungsfreie organisatorische Entscheidungen. Errichtet der
Arbeitgeber eine überbetriebliche Beschwerdestelle, steht das
Mitbestimmungsrecht beim Beschwerdeverfahren nicht dem örtlichen
Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.”
Mit dieser Entscheidung ist also geklärt, dass die Beschwerdestelle
“überbetrieblich”, z.B. in der Zentrale angesiedelt werden kann - dann steht
dem GBR das Mitbestimmungsrecht zu. Das gesamte Verfahren, wie Beschwerden
“abgehandelt” und welche Konsequenzen ggf. gezogen werden, ist dagegen
insgesamt mitbestimmungspflichtig.(Bundesarbeitsgericht,
Beschluss vom 21. Juli 2009 - 1 ABR 42/08.
Verfasser: Wolfgang Steen -
Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg
Anspruch auf Teilzeit
auch auf höherwertiger Stelle
Hat eine Bewerbung Aussicht auf Erfolg, wenn sich eine Teilzeit-Kraft auf
eine höherwertige Stelle bewirbt, die als Vollzeit-Stelle ausgeschrieben
ist? Diese Frage hatte jetzt das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. Eine
"einfache" Verkäuferin, die wegen eines Pflegefalls in Teilzeit gewechselt
war, bewarb sich auf die frei gewordene Stelle einer
Verkaufsstellenverwalterin mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Als
das Unternehmen die Stelle mit einer anderen Bewerberin besetzte, klagte die
Verkäuferin auf Schadensersatz. Hintergrund: Der § 9 des Teilzeitgesetzes (TzBfG)
schafft für Teilzeitkräfte einen Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit,
allerdings nur auf einen „entsprechenden“ freien Arbeitsplatz, wenn sich
keine besser geeigneten Konkurrenten bewerben. Das Bundesarbeitsgericht gab
hier ausnahmsweise der Klägerin recht und sprach ihr die Differenzvergütung
für den höherwertigen Arbeitsplatz zu (BAG vom 16.09.2008 - Aktenzeichen
9 AZR 781/07).
Ausschlaggebend war aber, dass die Klägerin eben nur wegen des Pflegefalls
eine Hierarchieebene niedriger beschäftigt war.
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