BETRIEBSRAT NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 05 / 2010
►
Allein erziehendes BR-Mitglied ...
wohin mit dem Kind?
BAG erkennt Kostenerstattung an
►
Kündigung weil zu alt? -
Arbeitgeber darf Ältere nicht benachteiligen
►
E-Mail-Adresse für jedes BR-Mitglied
... eigentlich doch längst selbstverständlich
►
Deo-pflicht am Arbeitsplatz -
ohne geht's nimmer
neu
im Programm
Seminar
„Aktuelles Arbeitsrecht und
Handlungstraining"
Neueste
Rechtsprechung für den Betriebsrat und deren Umsetzung in der Praxis -
geeignet für neu gewählte und langjährige BR-Mitglieder.
Referenten: Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Holger Schnoor,
Kommunikationstrainer
Mo. -
Mi., 29. Nov. - 01. Dez. 2010 im Hotel Hafen Hamburg
Info und
Anmeldung kanzlei@steenrae.de
Alleinerziehendes BR-Mitglied ...
wohin mit dem Kind?
Der
Arbeitgeber muss im erforderlichen Umfang die Kosten erstatten, die einem
alleinerziehenden Betriebsratsmitglied während einer mehrtägigen auswärtigen
Betriebsratstätigkeit durch die Fremdbetreuung seiner minderjährigen Kinder
entstehen.
Der
Fall: Die alleinerziehende
Klägerin hatten von ihrem Arbeitgeber die Erstattung der Kosten verlangte,
die ihr dadurch entstanden waren, dass sie als Betriebsratsmitglied zur
Teilnahme an zwei Sitzungen des Gesamtbetriebsrats und an einer
Betriebsräteversammlung insgesamt zehn Tage ortsabwesend war und während
dieser Zeit für die Betreuung ihrer 11 und 12 Jahre alten Kinder fremde
Hilfe in Anspruch nehmen musste.
Das
Bundesarbeitsgericht hat -
anders als zuvor das LAG - dem Antrag entsprochen.
In
der Begründung heißt es: Nach § 40 Abs. 1 BetrVG
trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats
entstehenden Kosten. Dazu gehören auch die Aufwendungen, die einzelne
Betriebsratsmitglieder zur Erfüllung ihrer Betriebsratsaufgaben für
erforderlich halten dürfen, nicht aber sämtliche Kosten, die nur irgendwie
durch die Betriebsratstätigkeit veranlasst sind. Grundsätzlich nicht
erstattungsfähig sind insbesondere Aufwendungen, die der persönlichen
Lebensführung zuzuordnen sind.
Vom
Arbeitgeber zu tragen sind aber Kosten, die einem Betriebsratsmitglied
dadurch entstehen, dass es die Betreuung seiner minderjährigen
Kinder für Zeiten sicherstellen muss, in denen es außerhalb seiner
persönlichen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen hat. Das ergibt
die verfassungskonforme Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG. Das
Betriebsratsmitglied befindet sich in einem solchen Fall in einer
Pflichtenkollision zwischen seinen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben
und der Pflicht zur elterlichen Personensorge.
Auch das Grundgesetz wirkt:
Nach Art. 6 Abs. 2
GG sind Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur "das natürliche Recht der
Eltern", sondern auch „die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“.
Dementsprechend darf dem Betriebsratsmitglied durch die gleichzeitige
Erfüllung beider Pflichten kein Vermögensopfer entstehen.
Dem
Anspruch stand nicht entgegen, dass in dem Haushalt des
Betriebsratsmitglieds noch eine volljährige berufstätige Tochter lebte,
welche die Betreuung ihrer jüngeren Geschwister abgelehnt hatte. Die
Antragstellerin durfte die entstandenen Betreuungskosten von insgesamt
600,-- Euro auch der Höhe nach für erforderlich halten.
BAG,
Beschluss vom 23.06.2010 - 7 ABR 103/08
Kündigung weil zu alt?
Ein Arbeitgeber darf bei der
Sozialauswahl nicht einseitig die Gruppe älterer Arbeitnehmer
benachteiligen. In einem Fall, der vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
entschieden wurde, hatte der Insolvenzverwalter eines Gartenbaubetriebes 2
Beschäftigten mit der Begründung gekündigt, die verbleibenden Gartenhelfer
müssten “körperlich voll einsatzfähig sein, um eine größtmögliche
Flexibilität zu gewährleisten”. Außerdem sei der Betrieb total überaltert.
Der
Insolvenzverwalter bildete aus den insgesamt acht Arbeitnehmer zwei
Altersgruppen: je 4 Beschäftigte zwischen 40 bis 49 sowie 50 bis 59 und
kündigte zwei Helfern aus der Gruppe der über 50jährigen.
Das
LAG gab dem Kläger Recht.
Zusammensetzung
Altersgruppen muss bleiben.
In der
Begründung heißt es: Es sei zwar möglich, Altersgruppen nach 10er Schritten
zu bilden. Jedoch muss die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die
Altersgruppen auch bei den Kündigungen eingehalten werden. In beiden Gruppen
hätte also je einem Arbeitnehmer gekündigt werden müssen.
Schließlich erteilte das Gericht auch dem Argument eine Absage, die
Beschäftigten in der Gruppe von 40 bis 49 seien als “Leistungsträger”
anzusehen. Nur die Behauptung, diese könnten
“Arbeiten allein abwickeln und ohne entsprechende Anweisungen von
Vorarbeitern, Gestaltungs- und Pflegearbeiten ausführen” reiche nicht aus.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 11.03.2010 - 10 Sa 581/09
E-Mail-Adresse für jedes
BR-Mitglied
Jedes
BR-Mitglied hat Anspruch auf eigene E-Mail-Adresse. Dies hat jetzt das
Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 14. Juli 2010 klargestellt. Das
heißt also zum Beispiel:
“br-mueller@firma.de”
muss der
Arbeitgeber einrichten, damit die Mitglieder des Betriebsrates untereinander
kommunizieren können. Ebenso kann für jedes BR-Mitglied die Einrichtung
eines eigenen Internetzugangs verlangt werden. Das BAG betont hier, der BR
habe einen eigenen Beurteilungsspielraum, was er für seine Arbeit als
“erforderlich” ansieht. Das gelte auch für den Internet-Zugang.
Auch Kommunikation mit Dritten
Das Gericht: “Ebenso wie die Informationsbeschaffung kann die
Kommunikation einzelner Betriebsratsmitglieder mit nicht zum Betrieb
gehörenden Dritten Teil der Betriebsratstätigkeit sein.” Natürlich stehen
auch Kosteninteressen des Arbeitgebers nicht entgegen
Das LAG
Düsseldorf war übrigens zuvor anderer Meinung. Der Betriebsrat hat hier
hartnäckig sein Recht bis zum BAG weiterverfolgt. Verwunderlich ist
allerdings, warum sich hier der Arbeitgeber überhaupt quer gestellt hat. Die
Nutzung moderner Kommunikationsmittel ist wahrlich eine
Selbstverständlichkeit.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 7 ABR 80/08
Deopflicht am Arbeitsplatz
"Sommerloch
und Sommerhitze - anders kann man den Vorschlag kaum rational erklären. Der
Unternehmerverband für die mittelständische Wirtschaft (schon mal gehört?)
hat die Deopflicht an Schlands Arbeitsplätzen ausgerufen. Der Vorschlag ist
offenkundig inspiriert durch die in den Medien vielbeachtete Kündigung eines
angeblich verschwitzten Kölner Architekten durch seine olfaktorisch
empfindsame Vorgesetzte während der vogelfreien Wartezeit (landläufig
Probezeit).
Erst
die Sommerhitze und das WM-Ende brachte den an Originalität kaum zu
überbietenden Vorschlag der sehr gepflegt und frisch deodoriert
dreinschauenden Verbandschefin (sie nutzt immerhin klimaschützende Deoroller)
in die Schlagzeilen. Um dem Vorschlag noch eine Spitze aufzusetzen, fordert
sie die Abmahnung aller Andersdenkendem bzw. -riechenden.
Arbeitsrechtlicher Unsinn, da werden sich alle Arbeitsrechtler einig sein.
Das arbeitgeberseitige Direktionsrechts reicht allerdings nicht bis in die
Achselhöhlen …
Den
Allergikern und Natürlichriechenden stinkt die Idee daher zu Recht. Gegen
Lärm kann man Kopfhörer aufsetzen, gegen Unsinn die Ohren zuhalten oder den
Artikel einfach nicht zu Ende lesen, auch gegen Hitze kann man sich
schützen.
Gegen
Deos hilft kein Luftanhalten. Deos sind eine Zwangsbeglückung Dritter, pure
Chemie und übertünchen im übrigen nur,
beseitigen aber keinen Körpergeruch. Und Duft ist eine Geschmackssache.
Was der
eine als aufregend empfindet, riecht für jemand anders einfach nur
penetrant. Einige Deos erinnern gar geruchlich an die grünen Steine, mit
denen man keramische Einrichtungen geruchsfrei hält. Beim Deo ist es häufig
auch in anderer Hinsicht ähnlich: Mancher glaubt, sich damit die
Körperpflege ersparen zu können. Diese Mischung riecht dann besonders
lecker.
Der
Vorschlag ist daher nicht nur wirr und halbgar. Eine Allergikerin hat
bereits Strafanzeige erstattet. Dabei wird die Intelligenz der Zeitungsleser
unterschätzt. Ich bin sicher, dass die Drogeriemärkte durch das Interview
nicht ins Schwitzen gekommen sind. Da ist noch wahrscheinlicher, dass Deos
am Arbeitsplatz verboten werden. Wegen der Explosionsgefahr."
Gastkommentar. Michael W. Felser Rechtsanwalt
NewsLetter
Dieser
NewsLetter BETRIEBSRAT erscheint regelmäßig und wird per E-Mail kostenlos an
alle Interessenten versandt, die sich angemeldet haben. Wir berichten darin
über aktuelle Änderungen im Arbeitsrecht und Urteile der Arbeitsgerichte,
die für die BR-Arbeit wichtig sein können.
Sie
können sich für den NewsLetter anmelden auf unserer Internetseite
www.steenrae.de oder per E-Mail unter kanzlei@steenrae.de.
BETRIEBSRAT NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr.04 / 2010
►
Mitbestimmung auch bei dringender Versetzung
Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts
►
rentennahe Jahrgänge in Kurzarbeit Null?
Diskriminierung wegen Alter
►
Der Fall "Emmely"
BAG gibt
überraschend (?) der Klägerin Recht
Seminare:
► Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR
wissen muss – mit Auslaufparade „Queen Mary 2“
Mo. + Di., 16. + 17. Aug. 2010 Anmeldung als pdf
► "Datenschutz in der Praxis" - Grundlagen für
die BR-Arbeit; Di./Mi., 15. +
16. Sep. 2010 - neue gesetzliche Grundlagen, Internet- und Email-Nutzung,
Umgang mit SAP / HR und HCM - Info und Anfrage unter
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Seminar
für die SBV
„Schwerbehindertenvertretung -neu gewählt" Grundlagen der Arbeit,
Möglichkeiten der Einflussnahme -
Do. – Fr. 02. – 03. Dez. 2010 im Hotel Hafen Hamburg
Mitbestimmung
auch bei dringender Versetzung
Betriebsrat muss auch bei dringender
Versetzung mitbestimmen
"Auch
wenn ein Arbeitnehmer auf eine andere Tätigkeit im Betrieb drängt, darf der
Betriebsrat nicht übergangen werden." Darauf weist das Bundesarbeitsgericht
in einem aktuellen Urteil hin.
Der
Fall: Der Mitarbeiter des betreffenden Finanzdienstleisters war in einer
Filiale für die sog. Masterkasse zuständig. Weil er sich nach eigenem
Bekunden mit dieser Aufgabe auf Dauer überfordert fühlte, beschloss das
Unternehmen, den Mann anderweitig einzusetzen.
Obwohl
diese Maßnahme in der nächsten turnusmäßigen Betriebsratssitzung nicht mehr
behandelt werden konnte, wurde sie kurzfristig umgesetzt. Das Unternehmen
begründete diesen Schritt damit, dass es sich um einen Notfall gehandelt
habe. Der Betriebsrat hätte deshalb nicht beteiligt werden müssen.
Das
Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Antrag des Betriebsrats auf Unterlassung
der Maßnahme statt.
Mitbestimmung im Eilfall nicht ausgeschlossen
In ihrer
Begründung verwiesen die Richter auf die bisherige Rechtsprechung: Demnach
könnte zwar in Extremsituationen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
nach § 99 BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Dies sei jedoch nur
dann anzunehmen, wenn der Betriebsrat in einer unvorhersehbaren und
schwerwiegenden Situation nicht erreichbar ist oder nicht rechtzeitig einen
Beschluss fassen kann. Der Arbeitgeber sei dann auch zum sofortigen Handeln
berechtigt, wenn nur so irreparable Schäden von Betrieb oder Belegschaft
abgewendet werden können.
Eine
solche Ausnahmesituation habe das Unternehmen im vorliegenden Fall aber
nicht behauptet.
(BAG,
Beschluss vom 19.01.2010 - 1 ABR 55/08)
rentennahe Jahrgänge in
Kurzarbeit Null?
Einbeziehung aller rentennaher Arbeitnehmer in die Kurzarbeit Null ist
diskriminierend
Eine
Betriebsvereinbarung, wonach alle Mitarbeiter rentennaher Jahrgänge in die
Kurzarbeit Null einbezogen werden sollen, stellt eine nach dem AGG
unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar. Hierin liegt auch dann
eine Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, wenn den betroffenen
Arbeitnehmern über ein sich an das Kurzarbeitergeld anschließendes
Transferkurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld ein gleitender Übergang in die
(vorgezogene) Altersrente ermöglicht werden soll.
Der
Fall: Der 1946 geborene Kläger war seit 1976 bei der Beklagten, einem
Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie, als Maschinenarbeiter
beschäftigt.
Aufgrund
der Wirtschaftskrise und einem damit einhergehenden Umsatzeinbruch sah sich
die Beklagte ab Ende 2008 gezwungen, trotz einer tariflichen
Beschäftigungsgarantie personelle Maßnahmen einzuleiten. Sie schloss daher
mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von
Kurzarbeit Null, die mit der Agentur für Arbeit vorbesprochen worden war.
Danach sollte Kurzarbeit Null für alle Arbeitnehmer des Betriebs L
eingeführt werden, die 59 Jahre oder älter waren. Konkret war das Modell "18
+ 12 + 24" beabsichtigt:
•
Die betroffenen Arbeitnehmer sollten 18 Monate konjunkturelles
Kurzarbeitergeld bei Kurzarbeit Null sowie Aufstockungsleistungen des
Arbeitgebers erhalten.
•
Sie sollten danach in eine Transfergesellschaft eintreten und zwölf
Monate lang Transferkurzarbeitergeld beziehen.
•
Hieran sollte sich ein 24-monatiger Bezug von Arbeitslosengeld und
sodann ein gleitender Übergang in die (ggf. vorgezogene) Altersrente
anschließen.
Die
Firma unterbreitet das entsprechende Angebot einschließlich dem
anschließenden Übergang in die Transfergesellschaft. Der Kläger widersprach
der Anordnung von Kurzarbeit und bot seine Arbeitskraft an. Mit der Klage
begehrte er für die Zeit der angeordneten Kurzarbeit Null die Zahlung seiner
vollen vertraglichen Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.
Das
Arbeitsgericht gab der Klage statt.
Die
Gründe:
Die Beklagte schuldet dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs
für den geltend gemachten Zeitraum die eingeklagte Vergütung. Die
Arbeitszeit des Klägers ist nicht wirksam auf Null reduziert worden.
Unstreitig lag keine einvernehmliche Arbeitszeitreduzierung vor. Die
Beklagte konnte im Hinblick auf Mitarbeiter ab dem 59. Lebensjahr nicht
wirksam Kurzarbeit Null durch die entsprechende Betriebsvereinbarung
einführen.
Die
Betriebsparteien hatten für die Betriebsvereinbarung keine
Regelungsbefugnis. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1
Nr. 3 BetrVG lag nicht vor. Denn hiernach hat der Betriebsrat nur bei
vorübergehenden Verkürzungen bzw. Verlängerungen der Arbeitszeit
mitzubestimmen, während die Betriebsvereinbarung für rentennahe Arbeitnehmer
von vornherein eine dauerhafte Reduzierung der Arbeitszeit auf Null und
damit letztlich deren sozialverträgliches Ausscheiden aus dem Betrieb
bezweckte.
Betriebsvereinbarung heilt nicht
Selbst wenn man aber ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
annehmen würde, wäre die Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das
Verbot der Altersdiskriminierung gem. §§ 7 Abs. 2, 1 AGG unwirksam. Die
Benachteiligung rentennaher Arbeitnehmer ist nicht gerechtfertigt. Ziel der
Regelung war ein Personalabbau ohne (tarifvertraglich ausgeschlossene)
betriebsbedingte Kündigungen, die eigentlich erforderlich gewesen wären. Auf
diese Art und Weise wurde der gesetzliche Kündigungsschutz der betroffenen
älteren Arbeitnehmer umgangen. Hierin kann kein legitimes Ziel i.S.v. § 10
Satz 1 AGG gesehen werden.
Urteil
Arbeitsgericht Stuttgart 12.5.2010, 20 Ca 2326/09
Der Fall "Emmely" -
wirklich überraschend?
Unrechtmäßiges
Einlösen von Pfandbons rechtfertigt keine fristlose Kündigung
Der Fall
hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Kann ein Arbeitsverhältnis nach 30
Jahren fristlos beendet werden wegen Pfandbons im Wert von € 1,30?
Der
Fall: "Emmely", eine 50-jährige Mutter von drei Kindern, war seit mehr als
30 Jahren bei einer Supermarktkette als Kassiererin beschäftigt. Im Januar
2008 hatte der Filialleiter der Klägerin zwei Pfandbons im Wert von 1,30 €,
die ein Kunde liegen gelassen hatte, zur Aufbewahrung im Kassenbüro
übergeben. Zehn Tage später reichte die Klägerin die Pfandbons bei einem
privaten Einkauf ein. In dem Arbeitsverhältnis war es vorher nicht zu
rechtlich relevanten Störungen gekommen.
Grundsätzlich hat auch das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass
Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers auch bei einem geringen
wirtschaftlichen Schaden eine fristlose Kündigung rechtfertigen können (sog.
Bagatell-Kündigung). Maßgeblich sind aber immer die konkreten Umstände des
Einzelfalls, die im Rahmen einer umfangreichen Interessenabwägung zu
berücksichtigen sind.
Interessenabwägung ist zu berücksichtigen
Diese Interessenabwägung fällt im Fall "Emmely" zugunsten der
Klägerin aus. Deren Prozessverhalten (Bestreiten des Vorwurfs und
Verdächtigung anderer Mitarbeiter) war nicht zu ihren Lasten zu
berücksichtigen.
Weil es
bei diesen Kündigung immer um den Vertrauensbereich geht, kommt es auf
Folgendes an:
•
das Maß der Beschädigung des Vertrauens,
•
das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen,
•
das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung
erworbene "Vertrauenskapital"
•
und die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes.
Milderes Mittel
Eine sofortige Auflösung (fristlos) ist also nicht automatisch die
richtige Reaktion. Als milderes Mittel kommt immer zuerst die Abmahnung in
Frage.
Zum
Hintergrund. Eigentlich sollte es in dem Revisionsverfahren nur um die –
bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Frage – gehen, ob das
Prozessverhalten eines außerordentlich gekündigten Arbeitnehmers im Rahmen
Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Dies ist problematisch, da ein
Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich. unzulässig ist.
Die
Gerichtssprecherin und Richterin am Bundesarbeitsgericht Inken Gallner
stellte noch einmal klar, dass auch schon bislang ein Bagatelldelikt nicht
automatisch zu einer wirksamen Kündigung geführt habe. Mit dieser
differenzierten Sicht sei man jedoch insbesondere in der Wirtschaftskrise
nicht in der Gesellschaft durchgedrungen.
(BAG
Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09)
BETRIEBSRAT
- NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 03 / 2010
►
Widerruf von Arbeitgeberleistungen - aus wirtschaftlichen Gründen?
Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts
►
Eingliederungsmanagement oder Kündigung
BAG stellt Arbeitgeberpflichten klar
►
Maulkorb im Arbeitsvertrag?
Landesarbeitsgericht wird deutlich
►
Fußball-WM am Arbeitsplatz - tratschen wir zuviel?
►
Betriebsversammlung - muss Arbeitgeber Partyservice zahlen?
Widerruf von
Arbeitgeberleistungen - aus wirtschaftlichen Gründen?
Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts
Die
Krise bringt es an den Tag. Leistungen des Arbeitgebers werden plötzlich in
Frage gestellt - argumentiert wird u.a. damit, Sozialleistungen könnten aus
"wirtschaftlichen Gründen" nicht mehr aufrecht erhalten werden oder
insgesamt auf die Prüfstand gestellt. Schwierig wird das Ganze, wenn
gleichzeitig individuelle Zusagen - im Arbeitsvertrag oder anderer Form -
gemacht wurden, von denen sich der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres
verabschieden kann.
Ein
solches Beispiel hat jetzt das Bundesarbeitsgericht beschäftigt und es ging
vorrangig um die Frage: Was sind "wirtschaftliche Gründe"? Und musste der
Arbeitnehmer diese Einschränkung akzeptieren.
Widerrufsvorbehalt ausreichend?
Das BAG hat in dem Fall untersucht, ob ein solcher
Widerrufsvorbehalt - hier sehr pauschal ausgedrückt - überhaupt zulässig
sein kann. Die Antwort folgt aus
a) Verbrauchersicht (der
Arbeitnehmer ist Verbraucher) und
b) zum Schutz vor
unangemessenen Klauseln im Arbeitsvertrag.
Der
Fall: Die Mitarbeiterin hatte
einen Dienstwagen zur Verfügung und in den Geschäftsbedingungen des
Arbeitgebers hieß es, die Überlassung könne "aus wirtschaftlichen Gründen"
widerrufen werden. Die Mitarbeiterin ging davon aus, dass sie jedes Jahr
49.500 km mit dem Firmen-PKW fahren würde. Tatsächlich fuhr sie im Jahre
2006 nur 29.450 km. Dies hielt die Arbeitgeberin für unwirtschaftlich und
widerrief die Überlassung des Fahrzeugs. Hiergegen klage die Arbeitnehmerin.
Im
Ergebnis stellte das Gericht fest, der Arbeitgeber dürfe den Firmen-PKW
nicht aus "wirtschaftlichen Gründen" entziehen. Eine entsprechende Klausel
in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sei unwirksam. Das Gericht sah
hier einen Verstoß wegen unangemessener Benachteiligung der Arbeitnehmerin.
Sie habe nicht erkennen können, was die genannten "wirtschaftlichen Gründe"
sind. Der Verbraucher hätte aber erkennen müssen, was auf ihn zukommt, um
sich darauf einstellen zu können. Das habe die Klausel nicht hinreichend
ausgedrückt.
Anmerkung: Bisher hatte das BAG nur entschieden, dass ein Widerruf aus
"beliebigen Gründen" natürlich unwirksam ist. Jetzt ging es um eine
bestimmte (durchaus übliche) Klausel, die gleichfalls nicht anerkannt wurde.
Für
Betriebsräte ist diese Sicht deshalb wichtig, weil sie zeigt, dass die
einzelnen Arbeitnehmer durchaus weitergehende Möglichkeiten haben,
(Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 13.04.2010 - 9 AZR 113/09)
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Eingliederungsmanagement
oder krankheitsbedingte Kündigung
Schon
seit 2004 haben Unternehmen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
durchzuführen. Entscheidend ist diese Verpflichtung gerade dann, wenn
anderenfalls eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden soll. Ob
also gekündigt werden kann, auch wenn das BEM nicht durchgeführt wurde,
beschäftigt zunehmend die Gerichte. In einem Fall, der jetzt dem
Bundesarbeitsgericht vorlag, machte das Gericht die Verteilung der Pflichten
noch einmal deutlich. Hat der Arbeitgeber kein Verfahren eingeführt, genügt
also nicht den Mindestanforderungen aus § 84 SGB IX (z.B. die Beteiligung
externer Stellen und Ämter), kann er sich nicht pauschal darauf berufen,
andere Arbeitsplätze, die das Krankheitsbild berücksichtigen, kämen nicht in
Frage.
Einbindung externer Stellen
Wie wichtig jeweils die Einbindung externer Stellen ist, zeigt ein
anderer Aspekt der Entscheidung. In dem Fall hatte die Klägerin eine von der
Betriebsärztin empfohlene Reha-Maßnahme u.a. wegen Schwierigkeiten der
zwischenzeitlichen Kinderunterbringung abgelehnt. Hier meinte allerdings das
Gericht, diese Haltung könne noch nicht zur Rechtfertigung einer Kündigung
führen. Vielmehr hätte die Klägerin - mit Fristsetzung und
Kündigungsandrohung - aufgefordert werden müssen, eine solche Reha-Maßnahme
auch durchzuführen (BAG v. 10.12.2009 - 2 AZR 400/08).
Die
Entscheidung macht Zweierlei deutlich: Ein BEM hat bestimmten
Mindestanforderungen zu genügen - nur “Krankenrückkehrgespräche” sind dafür
ungeeignet. Auf die Beteiligung Externer, wie Betriebsarzt, Reha-Träger etc.
ist großer Wert zu legen und deren Empfehlungen sind Ernst zu nehmen.
Maulkorb im Arbeitsvertrag
- Schweigepflicht über Gehaltshöhe?
Nein,
auch wenn der Arbeitsvertrag es verbietet, man darf über sein Gehalt auch
mit Kollegen reden - allerdings fehlte bisher ein Beleg für unsere Meinung
aus der höheren arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Die in fast jedem
zweiten Arbeitsvertrag zu findende Klausel, nach der der Arbeitnehmer
verpflichtet ist, über die Höhe seines Gehalts Stillschweigen zu bewahren,
ist rechtswidrig, bestätigte nun das Landesarbeitsgericht in
Mecklenburg-Vorpommern. Ein Arbeitnehmer hatte gegen eine Abmahnung geklagt,
die er bekommen hatte, weil er gegen die Verschwiegenheitspflicht wegen des
Gehalts verstoßen hatte. Besser und knackiger als das Landesarbeitsgericht
MV (Urteil vom 21.10.2009 - 2 Sa 183/09) kann man nicht erklären, warum eine
derartige Klausel offensichtlich unwirksam ist:
“Die
Klausel in § 4 Nr. 4 des Anstellungsvertrages, wonach der Arbeitnehmer
verpflichtet ist, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln und auch
gegenüber anderen Firmenangehörigen Stillschweigen darüber zu bewahren, ist
unwirksam. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers
entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 BGB dar."
Gespräch untereinander
Die Begründung des Gerichts leuchtet ein: Da der Arbeitgeber dem
Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet ist, können die Arbeitnehmer nur
durch ein Gespräch untereinander feststellen, ob dieser auch bei der Lohn.-
und Gehaltshöhe beachtet wird. Deshalb muss jeder Arbeitnehmer auch bereit
ist, über seine eigene Lohngestaltung Auskunft zu geben. Könnte man ihm
derartige Gespräche wirksam verbieten, hätte der Arbeitnehmer kein
erfolgversprechendes Mittel, Ansprüche wegen Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Lohngestaltung gerichtlich
geltend zu machen.
Die
Gegenargumente stammen übrigens aus den 50er Jahren und sehen den
"Betriebsfrieden" gefährdet, wenn offen über die Gehälter geplaudert wird.
Das Argument widerspricht sich allerdings selbst: Wenn (nachvollziehbare)
Unterschiede gemacht werden, wird es auch den Betriebsfrieden nicht
gefährden. Das Vorhandensein einer solchen Klausel im Arbeitsvertrag dürfte
den Betriebsfrieden im übrigen mehr gefährden: Denn als Arbeitnehmer fragt
man sich, was es denn zu verbergen gibt.
►
"Jetzt richtig starten"
– Seminar für das
BR-Gremium
-
Welchen Nutzen hat Projektarbeit - Welche Ziele und Aufgaben haben
Priorität - Wie können wir agieren statt zu reagieren - Austausch der
BR-Mitglieder organisieren - Sitzungen moderieren und strukturieren -
Motivation aller BR-Mitglieder
Referenten: Holger Schnoor, Kommunikationstrainer und ehem. BR
Versicherungswirtschaft,
Wolfgang
Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Das
Seminar wird in der Regel zweitägig als Inhouse-Seminar (oder in einem nahe
gelegenen Hotel) durchgeführt. Sprechen Sie uns an, damit wir ein konkretes
Angebot vorbereiten
kanzlei@steenrae.de
WM am Arbeitsplatz -
Tratschen wir zu viel?
Studie
über die WM 2006 ist entlarvend
Einer
wissenschaftlichen Studie des Lehrstuhls für Marketing der Uni Hohenheim
zufolge sollen deutsche Arbeitnehmer durch die Fussball-Weltmeisterschaft im
Mittel ein Viertelstündchen von der Arbeit abgehalten worden sein.
Mitarbeiter würden danach gerne die Ergebnisse diskutieren und die besten
Szenen Revue passieren lassen. Die vergeudete Arbeitszeit entspricht 0,2 %
des BSP (Bruttosozialproduktes). Diese Arbeitszeit werde auch nicht
nachgeholt.
Soso.
Wie man hört, soll es in Betrieben auch vorkommen, dass über Kinder, das
Wetter usw. usw. getratscht wird. Da hilft morgens beim Reinkommen sofort
nur ein Pflaster auf den Mund oder Einzelbürohaft.
Die Folgen betrieblicher Großzügigkeit sind dramatisch: Die Studie schätzt
den Produktionsverlust jährlich auf 0,4 % des Bruttoinlandproduktes. Klar
ist aber, dass die Bundesregierung ja schon über jedes halbe Prozent
Wachstum glücklich ist.
Allerdings meldet sich bei den Wissenschaftlern wegen des Petzens auch
sofort das schlechte Gewissen: Man müsse dagegen die 4,7 Milliarden Euro
rechnen, mit denen die WM Fans während der Weltmeisterschaft den Konsum
anheizen. Gut, dass wir die WM haben, leider nur alle vier Jahre .....
Übrigens: Lesenswert der Artikel "Achtung Abseitsfalle" des Kollegen Felser
in der AiB Heft 4 aus 2006 - alles zum Arbeitsrecht während der WM
Betriebsversammlung -
Arbeitgeber muss Partyservice zahlen
“Arbeitgeber muss Partyservice zahlen”. Diese Aufsehen erregende Nachricht
geistert zur Zeit durch die Blätter. Was war geschehen? Ein Betriebsrat
hatte für eine Betriebsversammlung die Idee, Stehtische aufzustellen. Es
sollte eine andere Diskussionskultur versucht werden. So weit so gut, aber
offensichtlich hatte der Arbeitgeber damit nichts am Hut. Schon wurde ein
Party- und Zeltservice beauftragt (… und so kommt dann die Nachricht vom
“Partyservice” zustande), der insgesamt 8 Tische für EUR 232,05 aufstellte.
Der Streit ging natürlich vor das Arbeitsgericht und schließlich zum
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. Dort stellte das Gericht sogar ohne
mündliche Verhandlung klar:
notwendige Kosten nach § 40 BetrVG
"Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsversammlung gehört zur
notwendigen Betriebsratstätigkeit im Sinne des § 40 BetrVG. Erforderliche
Kosten, die bei der Vorbereitung und der Durchführung der
Betriebsversammlung entstehen, fallen dem Arbeitgeber zur Last” (Beschl. v.
23.03.2010 - 3 TaBV 48/09).
Allerdings meinte das Gericht auch, der Betriebsrat habe hier seinen
Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum bis zur “äußersten Grenze
ausgeschöpft, jedoch noch nicht überschritten.”
Völlig
zu Recht hebt das LAG dann noch darauf ab, dass die inhaltliche Gestaltung
der Betriebsversammlung alleine dem Betriebsrat obliegt. “Diese
Gestaltungszuständigkeit deckt (gerade) auch noch ein Konzept ab, mittels
stehender Gruppenarbeit die teilnehmenden Arbeitnehmer zu veranlassen, die
betrieblichen Probleme selbst zu “artikulieren”, d.h. klar anzusprechen.”
Also - haarscharf gewonnen, kann man da nur sagen.
Aber das
Konzept ist doch überzeugend.
NewsLetter
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die für die BR-Arbeit wichtig sein können.
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BETRIEBSRAT -
NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 02 / 2010
►
Kritische Äußerungen - ein Kündigungsgrund?
LAG
Ba-Wü betont freie Meinungsäußerung
►
Zusatzurlaub für Schwerbehinderte -
verfällt bei Krankheit nicht
►
Die März-Sonne genießen ... oder nebenbei arbeiten?
Nicht
jede Tätigkeit im Urlaub verboten
►
Kündigung wegen Schweißgeruch -
Rechtens
►
Service: Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit
Kritische
Äußerungen - ein Kündigungsgrund?
"Menschenverachtende Jagd auf Kranke"
Wiederholt kritische Äußerungen
rechtfertigen keine Kündigung oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Streiten
die Arbeitsvertragsparteien jahrelang über kritische Äußerungen des
Arbeitnehmers, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, so kann auch die
mehrfache Wiederholung dieser Äußerungen keine verhaltensbedingte Kündigung
rechtfertigen. Trotz des langjährigen Streits ist in einem solchen Fall auch
ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers regelmäßig unbegründet.
Der
Fall: Der Kläger (Gewerkschaftsmitglied und Vertrauensmann), seit 1986 in
dem Großunternehmen der Automobilindustrie beschäftigt, veröffentlichte 2002
im Zusammenhang mit einer Abmahnung bzw. Kündigung eines Kollegen einen vom
Kläger unterschriebenen Infobrief, in dem es u.a. hieß:
"In
dieser Sache richten wir uns an die Arbeiter und die breite Bevölkerung. Wir
greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die
politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück.
"Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab."
Auf
diese Äußerungen stützte die Beklagte im Dezember 2002 die erste und danach
bis August 2007 weitere vier Kündigungen. Im Laufe der langjährigen
(gerichtlichen) Auseinandersetzungen der Parteien, die bis zum BAG gingen,
wiederholte der Kläger in abgewandelter Form in einem Internetbeitrag die
bereits 2002 gemachten Äußerungen. Damit begründete die Beklagte nunmehr die
fünfte Kündigung und beantragt hilfsweise die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.
Das ArbG
erklärte die Kündigung für unwirksam, löste aber das Arbeitsverhältnis auf
Antrag der Beklagten auf. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers
hatte – im Gegensatz zur Berufung der Beklagten – Erfolg.
Die
Gründe:
Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, da sie nicht durch Gründe im
Verhalten des Klägers gerechtfertigt ist. Die streitigen Äußerungen des
Klägers dürfen zum einen nicht isoliert unter Ausblendung der Vorgeschichte
der jahrelangen Auseinandersetzungen der Parteien gesehen werden. Zum
anderen hat das BAG mit Urteil vom 12.1.2006 (Az.: 2 AZR 21/05) zur ersten
Kündigung ausgeführt, dass die Äußerungen vom Grundrecht der freien
Meinungsäußerung gedeckt sind und weder eine Formalbeleidigung noch eine
Schmähung einer der Repräsentanten der Beklagten darstellen.
keine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht
Soweit der Kläger die Äußerungen wiederholt hat, ist dies zudem im
Rahmen der (gerichtlichen) Auseinandersetzungen zu seiner Rechtsverteidigung
geschehen. Ihm kann daher insoweit keine Verletzung seiner
arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht vorgeworfen werden.
Das
Arbeitsverhältnis kann auch nicht gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst
werden. Eine Auflösung des Arbeitverhältnisses kommt nur ausnahmsweise in
Betracht – vor allem, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses
zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen. Diese Voraussetzungen
sind hier nicht erfüllt. Der Kern der streitigen Äußerungen liegt Jahre
zurück. Der Kläger hat sie zudem nur anlässlich der Kündigungsschutzprozesse
und damit in Wahrnehmung berechtigter Interessen wiederholt.
LAG
Baden-Württemberg 10.2.2010, 2 Sa 59/09
Zusatzurlaub für
Schwerbehinderte
.... verfällt bei Krankheit nicht
Auch der
Zusatzurlaub für Schwerbehinderte muss nachträglich bewilligt werden, wenn
dieser wegen Krankheit nicht genommen werden konnte. Auf Druck des EuGH
hatte das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert. Jedenfalls der
gesetzliche Mindesturlaub verfällt bei Krankheit nicht mehr (Urteil v.
24.3.2009 – 9 AZR 983/07). Er muss auch Jahre später noch gewährt oder bei
einer Beendigung finanziell ausgeglichen werden.
Offen
war noch die Frage, wie der Zusatzurlaub von Schwerbehinderten zu behandeln
ist. Diesen Anspruch hat jetzt das Bundesarbeitsgericht zugunsten eines
Klägers entschieden.
Der
Fall: Der schwerbehinderte Kläger war seit September 2004 bis zur Beendigung
des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2005 arbeitsunfähig wegen eines
Bandscheibenleidens. Nachdem die Beklagte nach Urteil in der II. Instanz
schon den Mindesturlaub für 2004 und 2005 ausgeglichen hatte, ging es vor
dem BAG noch um den Zusatzurlaub und die Abgeltung des weitergehenden
tariflichen Urlaubsanspruches, der über die 4 Wochen gesetzlichen Urlaub
hinausgehen.
Gleichstellung mit Mindesturlaubsentscheidung
In der Entscheidung stellt das BAG diesen Zusatzurlaub dem
gesetzlichen Mindesturlaub gleich (BAG 23.3.2010, 9 AZR 128/09). Allerdings
der Mehrurlaub gemäß Tarifvertrag wurde nicht anerkannt. Ausdrücklich nennt
das BAG, dem Tarifvertrag sei nicht zu entnehmen, dass der weitergehende
Urlaub stets zu gewähren wäre.
►
Seminar:
Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR wissen muss
Inhalt:
- mögliche Gründe für betriebsbedingte Kündigungen
- Vergleichsarbeitnehmer und Sozialauswahl
- Auswahlkriterien und die Gefahren von Namenslisten
- Weiterbeschäftigungsanspruch nach Klage
- ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats /
Widerspruchsgründe
- Sozialplan und Abfindungen im Gerichtsverfahren
2
Tagesseminar im Hotel Hafen Hamburg
mit Auslaufparade „Queen Mary 2“
am Montagabend
Mo. + Di., 16. + 17. Aug. 2010
Die März-Sonne genießen ...
oder nebenbei arbeiten?
Arbeitnehmer dürfen auch im Geschäft des Ehegatten aushelfen - der Urlaub
muss nicht zwingend zur Erholung genutzt werden. Das hat jetzt das
Landesarbeitsgericht Köln in einem Fall entschieden (Urteil vom 21.09.2009,
2 Sa 674/09), in dem eine Arbeitnehmerin ihrem Mann geholfen hatte, auf
einem Weihnachtsmarkt Keramikfiguren zu verkaufen. Hierbei wurde sie
mehrfach, auf verschiedenen Märkten gesehen, weil sie eben auch
Verkaufstätigkeiten ausübte.
Erholungszweck nicht gefährdet
Ihr Arbeitgeber war jetzt der Meinung, das stehe dem Erholungszweck
des Urlaubs entgegen. Außerdem führe die Arbeit in der Kälte zu einem
erhöhten Krankheitsrisiko. Nach einer Abmahnung wurde ihr schließlich
gekündigt. Das Gericht gab der Kündigungsschutzklage statt. In der Berufung
meinte die Firma übrigens, das Ansehen des Geschäftsführers sei geschädigt,
wenn man die Klägerin weiter beschäftigten müsse. Auch das wurde in
diesem Fall vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.
Service: Teilzeit während
der Elternzeit
Teilzeit
während der Elternzeit ist relativ leicht durchzusetzen, weil der
Arbeitgeber häufig noch keine Lösung für den Ausfall der bewährten Kraft
gefunden hat. Andererseits verlangt das Gesetz zur Elternzeit (BEEG) eben
ausdrücklich "dringende" betriebliche Gründe, die dagegen stehen müss(t)en.
Trotzdem
scheitern ein Teilzeitverlangen für die Elternzeit häufig aus formellen
Gründen, weil der Antrag nicht korrekt gestellt wurde. Ein geprüftes Muster
für einen formwirksamen und gesetzmäßigen Antrag auf Teilzeit während der
Elternzeit stellt der DGB zur Verfügung.
Bei
Nutzung dieses Formulars / Antrages haben formelle Einwände des Arbeitgebers
keine Chance.
Muster für
einen Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit
Kündigung wegen
Schweißgeruch - rechtens
Kaum zu
glauben, aber eine Kündigung wegen Schweißgeruchs ist rechtens. So entschied
jedenfalls das Arbeitsgericht Köln. In der Begründung wurde allein darauf
abgestellt, in der Probezeit könne ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.
Auch sei die Begründung mangelnder Körperhygiene nicht willkürlich oder
sittenwidrig.
Der 50
Jahre alte Kläger, Architekt in der Denkmalbehörde der Stadt Köln, meinte zu
der Kündigung nur “Ich empfinde das als absolut erniedrigend unter
gebildeten Menschen“. Sein Anwalt kritisierte, das Gericht habe nur rein
formalistisch entschieden und es werde wohl eine Berufung geben. Immerhin
war dem Kläger ein Vergleich angeboten worden (4 Monate Gehaltszahlung) -
vielleicht wäre Seife und ein Deo angebrachter gewesen und damit der Erhalt
des Jobs.
NewsLetter
Dieser
NewsLetter BETRIEBSRAT erscheint regelmäßig und wird per E-Mail kostenlos an
alle Interessenten versandt, die sich angemeldet haben. Wir berichten darin
über aktuelle Änderungen im Arbeitsrecht und Urteile der Arbeitsgerichte,
die für die BR-Arbeit wichtig sein können.
Sie
können sich für den NewsLetter anmelden auf unserer Internetseite
www.steenrae.de oder per E-Mail unter kanzlei@steenrae.de.
BETRIEBSRAT -
NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 01 / 2010
►
EuGH kippt Kündigungsfristen
- Zugehörigkeit zählt auch vor 25. Lebensjahr
►
Internet für den Betriebsrat
- BAG entscheidet grundsätzlich
►
Bei Verdacht(-skündigung) gleich mit Anwalt
- nur "einmal darüber schlafen" reicht nicht
►
Tarifeinheit - BAG ändert Rechtsprechung
- Konsequenzen auch für die Mitbestimmung
►
häufig zum Klo -
rechtfertigt keinen
Gehaltsabzug
►
Seminar Crash – Kurs Seminar für
Neugewählte 2010
„Die
ersten Schritte im Betriebsrat“
Di. – Fr. 22. – 27. Juni 2010 im
Hotel Hafen Hamburg
►
Seminar
Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR wissen muss – mit Auslaufparade
„Queen Mary 2“
Mo. + Di.,
16. + 17. Aug. 2010
EuGH kippt
Kündigungsfristen
Wie zu
erwarten, hat der EuGH die deutschen Kündigungsfristen gekippt. In § 622 BGB
werden die Arbeitsjahre bis zum 25. Lebensjahr bei der Betriebszugehörigkeit
und damit auch bei der Dauer der Kündigungsfristen nicht berücksichtigt. Die
selben Regelung finden sich oft auch in vielen darauf Bezug nehmenden oder
sich anlehnenden Tarifverträgen. Das diskriminiert nach Meinung der Richter
junge Menschen wegen des Alters.
Zugehörigkeit auch vor dem 25. Lebensjahr zählt mit
Der Fall: Eine Frau hatte
ab dem Alter von 18 bei einem Unternehmen in Essen gearbeitet und war zehn
Jahre später entlassen worden. Der Arbeitgeber legte eine
Beschäftigungsdauer von drei Jahren zugrunde (seit dem 25. Geburtstag) und
kündigte ihr mit einer Frist von einem Monat. Bei zehn Jahren hätte sie
Anspruch auf vier Monate gehabt.
Die
EU-Richter in Brüssel fackelten nicht lange: Sie wiesen die deutschen
Gerichte an, ab sofort die unzulässige Diskriminierung zu beenden und die
Jahre vor dem vollendeten 25. Lebensjahr bei der Berechnung der
Betriebszugehörigkeit anders als in § 622 BGB vorgesehen zu
berücksichtigten. Die Richter setzten sich mit der einschlägigen
EU-Richtlinie auseinander. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen eine
Ungleichbehandlung wegen des Alters – u.a. wenn diese aus Gründen der
Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der berufliche Bildung
gerechtfertigt ist - möglich. Diese Voraussetzungen waren hier aber nicht
erfüllt.
In dem
Urteil wird klargestellt: “Es obliegt dem nationalen Gericht, in einem
Rechtsstreit das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters
sicherzustellen, indem es erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften
des innerstaatlichen Rechts nicht anwendet.”
(EuGH
vom 19.1.2010 Rechtssache C-555/07)
Anmerkung: Ein bisschen Diskriminierung gibt es eben genauso wenig, wie eine
übergangsweise hinzunehmende Diskriminierung. Die Haltung des EuGH ist
konsequent. Wir brauchen also nicht einmal auf eine deutsche
Gesetzesänderung zu warten. Die Arbeitsgerichte müssen diese Entscheidung
beachten.
Internet für den
Betriebsrat
Der
Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Bereitstellung eines
Internetanschlusses jedenfalls dann verlangen, wenn er bereits über einen PC
verfügt, im Betrieb ein Internetanschluss vorhanden ist, die Freischaltung
des Internetzugangs für den Betriebsrat keine zusätzlichen Kosten verursacht
und der Internetnutzung durch den Betriebsrat keine sonstigen berechtigten
Belange des Arbeitgebers entgegenstehen.
Das hat
jetzt das Bundesarbeitsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 20. Jan.
2010 festgelegt.
Erforderliches Kommunikationsmittel
Das Gericht: Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem
Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in dem erforderlichen Umfang
auch Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Dazu
gehört das Internet.
Der
Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Antrag eines Betriebsrats
stattgegeben, der von der Arbeitgeberin einen Zugang zum Internet für den
ihm zur Verfügung stehenden PC verlangt hat. Die Leitung des von der
Arbeitgeberin betriebenen Baumarkts, für den der Betriebsrat gebildet ist,
verfügt über einen Internetanschluss. Durch die Freischaltung des dem
Betriebsrat zur Verfügung gestellten PC entstehen für die Arbeitgeberin
keine zusätzlichen Kosten.
Auch
sonstige der Internetnutzung durch den Betriebsrat entgegenstehende
berechtigte Belange hatte die Arbeitgeberin nicht geltend gemacht.
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 7 ABR 79/08)
Bei Verdacht gleich mit
Anwalt
Bei
einer Verdachtskündigung muss dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben werden und einen Anwalt hinzuziehen. So hat es jetzt das
Landesarbeitsgericht in Berlin entschieden.
In dem
Fall war einem Filialleiter die Unterschlagung von € 5 vorgeworfen worden.
Den Vorwurf hatte der vorgesetzte Bezirksverkaufsleiter zwar nicht endgültig
aufgeklärt, dem Betroffenen aber noch Gelegenheit gegeben, die Sache „zu
überschlafen“. Als keine weitere Stellungnahme erfolgte kündigte der
Arbeitgeber, nach Anhörung des Betriebsrates, fristlos.
Eigner Anhörungstermin erforderlich
Dieses Arbeitgeberverhalten rügte jetzt das Gericht in
Berlin. Gefordert ist vom Arbeitgeber, einen weiteren Anhörungstermin
abzustimmen, um den Vorwurf aufzuklären und auch Gelegenheit zu geben, einen
Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
(LAG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.11.2009 – 6 Sa 1121/09)
Tarifeinheit - BAG ändert
Rechtsprechung
Der 4.
Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigt, den bisher hochgehaltenen,
aber umstrittenen Grundsatz der Tarifeinheit zu kippen. Nach diesem - im
Tarifvertragsgesetz nicht ausdrücklich geregeltem - Prinzip soll in einem
Betrieb für einen bestimmten Regelungsgegenstand stets nur ein Tarifvertrag
(”Ein Betrieb, ein Tarifvertrag”) zur Anwendung kommen.
Das BAG
leitete bisher den Grundsatz der Tarifeinheit aus den übergeordneten
Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ab. Durch die
Tarifeinheit wurden nicht nur Fälle der Konkurrenz verschiedener
Tarifverträge (z.B. noch für Gewerbliche und Angestellte), sondern auch
solche der Tarifpluralität (z.B. früher OTV / DAG) dahin gelöst, dass in
einem Betrieb nur der speziellere von mehreren Tarifverträgen zur Anwendung
kommt. Beim Bahnstreik haben
Gerichte den Streiks der GdL dieses Prinzip entgegengehalten und damit die
Streiks der Lokführergewerkschaft verboten. Das war zwar auch falsch, denn
die Tarifeinheit hindert eine Gewerkschaft nicht, sich um einen spezielleren
Tarifvertrag zu bemühen. Das Streikrecht kann dadurch nicht eingeschränkt
werden.
Tariflandschaft wird sich ändern
Die Folgen dieser Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts
wären gleichwohl unübersehbar: Sie könnte die gesamte Tariflandschaft ändern
und führt in Betrieben dazu, dass für verschiedene Berufsgruppen und
Gewerkschaftsangehörige unterschiedliche Tarifregelungen gelten.
Sie
stellt außerdem die Praxis vor viele Probleme, z.B. den Betriebsrat oder
Personalrat, weil deren starke Mitbestimmungsrechte nur gelten, soweit keine
tarifliche Regelung (welche?) vorliegt. Die Klausel in Arbeitsverträgen, die
die Anwendung des “jeweils geltenden Tarifvertrages” für nicht
gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer regeln, wären auf einmal unklar
und müssten geändert werden.
Quelle:
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 27.01.2010 - 4 AZR
549/08)
häufig zum Klo -
rechtfertigt keinen Gehaltsabzug
Häufige
Toilettenbesuche rechtfertigen keine Gehaltskürzung. Das entschied das
Arbeitsgericht Köln in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung. Dabei
ging es um den Fall eines Rechtsanwalts, der minutiös aufzeichnete, wie viel
Zeit der Angestellte auf dem WC verbracht hatte und ihm dafür 682,40 Euro
vom Nettogehalt abzog. Daraufhin reichte der Angestellte Klage ein. Er gab
an, dass er unter Verdauungsstörungen litt. Das Gericht entschied im Sinne
des Klägers, der nun das Arbeitsverhältnis beendet hat.
NewsLetter
Dieser
NewsLetter BETRIEBSRAT erscheint regelmäßig und wird per E-Mail kostenlos an
alle Interessenten versandt, die sich angemeldet haben. Wir berichten darin
über aktuelle Änderungen im Arbeitsrecht und Urteile der Arbeitsgerichte,
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BETRIEBSRAT - NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 07 / 2009
►
Einsichtsrecht aller BR-Mitglieder
BAG
klärt Datenschutzfragen
►
Steuerbegünstigung von
Zwischenabfindungen
BFH
entscheidet im Fall einer Arbeitszeitreduzierung
►
Welche Weiterbeschäftigung nach
Änderungskündigung?
ArbG
Hamburg sichert Status
►
Ausgerechnet: „Ehrenkodex“ für
Betriebsräte
….was
sich die neue Koalition so ausgedacht hat
Seminare
►
Schulung Wahlvorstand – BR-Wahl 2010 -
Mo./Di., 18. + 19. Jan. 2010
►
Crash – Kurs Seminar für Neugewählte 2010
„Die ersten
Schritte im Betriebsrat“ -
Di. – Fr. 22. – 27. Juni 2010 im Hotel Hafen Hamburg
►
Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR wissen muss – mit Auslaufparade
„Queen Mary 2“ -
Mo. + Di., 16. + 17. Aug. 2010
Einsicht in alle Unterlagen
Der
Betriebsrat muss seinen Mitgliedern Einsicht in alle Unterlagen erlauben
Das
Recht eines jeden Betriebsratsmitglieds, jederzeit in die Unterlagen des
Gremiums - einschließlich Dateien und E-Mail-Korrespondenz - Einsicht zu
nehmen, kann nicht durch Maßnahmen nach dem Bundesdatenschutzgesetz
beschränkt werden.
Das
Bundesarbeitsgericht (BAG) verhandelte die Anträge von vier
Betriebsratsmitgliedern, die ein uneingeschränktes elektronisches Leserecht
hinsichtlich der Dateien und E-Mail-Korrespondenz ihres Gremiums forderten.
Hintergrund: Der Betriebsrat hatte die Ordner im EDV-System nach den
unterschiedlichen Ausschüssen angelegt und in einem - noch einstimmig
gefassten - Beschluss bestimmt hatte, dass alle Mitglieder nur Zugriff auf
den jeweils ihren Ausschuss betreffenden Ordner haben sollten. Allein der
Betriebsratsvorsitzende, dessen Stellvertreter und die Systemadministratorin
durften unbeschränkt auf alle angelegten Ordner zugreifen. Diese enthielten
u.a. das E-Mail-Konto des Betriebsrats.
Der
Betriebsrat hatte ein uneingeschränktes Zugriffrecht aller seiner Mitglieder
mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei den elektronisch
gespeicherten Daten nicht um solche Unterlagen handele, die vom
Einsichtsrecht umfasst seien. Im Übrigen sei eine Einräumung allgemeiner
Zugriffsrechte für alle Betriebsratsmitglieder aus datenschutzrechtlichen
Gründen unzulässig.
Das BAG
war anderer Ansicht und gab den Anträgen statt.
Alle Daten müssen zugänglich sein
Ausgangspunkt ist § 34 Absatz 3 BetrVG, der Betriebsratsmitgliedern
das Recht einräumt, jederzeit die Unterlagen des Betriebsrats und seiner
Ausschüsse einzusehen. Dazu zählen nicht nur Aufzeichnungen in Papierform,
sondern sämtliche auf Datenträgern gespeicherten Dateien sowie die
Korrespondenz des Betriebsrats unter dessen E-Mail-Anschrift. Dies ergibt
der Vergleich mit § 80 Absatz 2 Satz BetrVG, der sich auch auf elektronische
Unterlagen bezieht.
Das
Bundesarbeitsgericht stellt vor allem klar:
Das
Einsichtsrecht einzelner Betriebsratsmitglieder ist unabdingbar, d.h. es
kann auch nicht durch einen Beschluss des Betriebsrats eingeschränkt werden.
Sinn und
Zweck des Gesetzes ist nämlich, dass die Betriebsratsmitglieder den
Überblick über die Gesamttätigkeit des Betriebsrats und die
betriebsverfassungsrechtliche Aufgabenerfüllung behalten.
Soll der
Beschluss des Betriebsrats - wie hier - eine Maßnahme nach § 9 Absatz 1
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) darstellen, kommt hinzu, dass diese
Einordnung schon an der Unanwendbarkeit des BDSG scheitert: Über den Umgang
mit personenbezogenen Daten innerhalb des Betriebsrats enthält das BetrVG
die abschließenden Vorschriften (vgl. § 1 Absatz 3 Satz 1 BDSG). Gleichwohl
ist der Betriebsrat als Teil der verantwortlichen Stelle auch nach dem BDSG
dem Datenschutz verpflichtet (vgl. § 3 Absatz 7 BDSG).
BAG,
Beschl. v. 21.08.2009 - 7 ABR 15/08
►►►
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Steuerbegünstigung von
„Zwischenabfindungen“
Abfindungen für Arbeitszeitreduzierungen können begünstigt zu besteuernde
Entschädigungen darstellen
Das hat
der Bundesfinanzhof (BFH jetzt im Fall einer Klägerin entschieden, die ihre
wöchentliche Arbeitszeit von bisher 38,5 Stunden auf 19,25 Wochenstunden
reduziert hat. Der BFH änderte die bisherige Rechtsprechung und stellte
klar, dass bei Zahlung einer Teilabfindung die Steuerbegünstigung nach § 34
Abs. 2 Nr. 2 EStG angewandt werden kann. Das Gesetz verlange nicht, dass das
Arbeitsverhältnis gänzlich beendet werden muss.
Die
Klägerin hatte für die Arbeitszeitreduzierung eine Abfindung von rd. EUR
17.459 erhalten. In der Einkommenssteuererklärung verlangte sie die
Begünstigung als Entschädigung für mehrere Jahre (sog. „Fünftel-Regelgeung“).
Keine vollständige Beendigung erforderlich
Der BFH: Das Gesetz verlangt nicht, dass das Arbeitsverhältnis
gänzlich beendet werden müsse. Es setzt lediglich voraus, dass Einnahmen
wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet wird. So verhält es sich, wenn –
wie hier - eine Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung
überführt und die Arbeitnehmerin dafür abgefunden wird.
Und
weiter:. Dem Zweck des § 34 Abs. 2 EStG, die Auswirkungen des progressiven
Tarifs abzuschwächen genügt es, wenn die Zuordnung der Einkünfte zum Katalog
des § 34 Abs. 2 EStG von einem besonderen Ereignis abhängig gemacht wird.
(BFH 25.8.2009, IX R 3/09)
Das
heißt: in Zukunft kann auch bei sog. „Zwischenabfindungen“ auf
Steuerbegünstigung bestanden werden.
Welche Weiterbeschäftigung
nach Änderungskündigung?
Arbeitsgericht Hamburg sichert Status – Weiterbeschäftigung zu bisherigen
Bedingungen
Es ist
ein bekanntes Ärgernis: Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus,
ist der Arbeitnehmer in der Zwangslage: Annahme der Kündigung unter
Vorbehalt heißt auch, die neuen Bedingungen annehmen zu müssen, um den Job
zu sichern. Das heißt in der Praxis dann allerdings auch, (erst einmal) zu
den neuen Bedingungen – also etwa nach Versetzung auf einem anderen
Arbeitsplatz – arbeiten zu müssen, bis das Gericht rechtskräftig etwas
anderes entscheidet.
Das
Arbeitsgericht Hamburg hat nun den Vergleich zum
Weiterbeschäftigungsanspruch nach Beendigungskündigung herausgestellt. Dort
besteht schließlich der Anspruch sofort nach gewonnener I. Instanz. Das
heißt: wird der Prozess gewonnen, kann eben auch die Beschäftigung zu
bisherigen Bedingungen verlangt werden.
Das ArbG
stellt sich jetzt ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts und urteilt:
„Nach
Ablauf der Kündigungsfrist und nach erstinstanzlicher Stattgabe der
Änderungsschutzklage ist der Arbeitnehmer nicht zu den geänderten, sondern
grundsätzlich zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen:“
In der
Begründung heißt es:
Handeln aus Sicherheit
"Die Vorbehaltsannahme kann im Unterschied zur Ablehnung des
Änderungsangebots ihren Grund darin haben, dass der Arbeitnehmer von ihm
durchaus als unzumutbar angesehene Arbeitsbedingungen allein deshalb
vorbehaltlich annimmt, weil ihm dieses Vorgehen als rechtssicherer
erscheint, um den Erhalt seines Arbeitsplatzes nicht zu gefährden. Dagegen
verliert er bei der Ablehnung im ungünstigsten Fall seinen Arbeitsplatz
insgesamt. Den risikobereiteren Arbeitnehmer zu bevorzugen, der das
Änderungsangebot ablehnt, und dem der allgemeine
Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen bei einer
erfolgreichen Klage nach der erstinstanzlichen Entscheidung zusteht, ist
aber nicht zwingend und führt zu Wertungswidersprüchen.“
(ArbG
Hamburg Urteil vom 17.9.2009, 17 Ca 179/09)
Ausgerechnet: „Ehrenkodex“
für Betriebsräte
Das hat
sich die neue schwarz-gelbe Koalition schön ausgedacht. Weil die
Managergehälter in der öffentlichen Diskussion sind (Stichwort: Transparenz)
hat man jetzt auch die Betriebsräte entdeckt. Im Koalitionsvertrag heißt es:
„Es soll
ein Ehrenkodex für Betriebsräte entwickelt werden (z. B. mit einem Recht der
Betriebsversammlung auf Offenlegung der gezahlten Aufwendungen an
Betriebsratsmitglieder).
Selbst
der Deutsche Anwaltsverein (ansonsten eher konservativ eingestellt)
bezweifelt die Notwendigkeit einer solchen Regelung. In einer Stellungnahme
heißt es: „Aus spektakulären Einzelfällen sollte nicht auf ein
Regelungsbedürfnis geschlossen werden.“ Außerdem: Es bestehen ausreichende
Regelungen zur Gleichbehandlung und zum Diskriminierungsschutz in § 75
BetrVG. Diese sind schon heute zu beachten.
Auch die BR-Kosten müssen nicht offengelegt werden
Es entspricht übrigens langjähriger Rechtsprechung, dass die Kosten
eines Betriebsrates nicht offen zu legen sind. Hier soll aus den notwendigen
Aufwendungen kein Rechtfertigungsdruck für den BR entstehen, zumal die
(entstandenen) Kosten oft genug durch das Agieren des Arbeitgebers bestimmt
sind (so schon das BAG mit Beschluss v. 19.07.95).
Der DGB
kritisiert das Vorhaben denn auch zutreffend mit einem „Generalverdacht
gegen alle Betriebsräte“.
Also =
unsinnig und unnötig.
NewsLetter
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die für die BR-Arbeit wichtig sein können.
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BETRIEBSRAT - NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 06 / 2009
►
Maultaschen, Pfandbons und Buletten
Gerät
der Kündigungsschutz aus den Fugen?
►
unzulässige (interne) Ausschreibung
„Berufanfänger“
diskriminiert das Alter
►
Spezialthema „Zillmerung“ bei
Direktversicherungen
BAG
nimmt Arbeitgeber in die Verantwortung
►
Wenn Bewerber bluten müssen
Merkwürdige Praxis bei Einstellungen
►
vom Kater gebissen
Arbeitgeber haftet nur bei Vorsatz
►►► “Schulung Wahlvorstand – BR-Wahl 2010“
2-Tages-Seminar für Wahlvorstände –
„normales“ und „vereinfachtes“ Wahlverfahren - Schwerpunkte: Einbeziehung
von Leih- und Zeitarbeitnehmern; Wer darf wählen oder gewählt werden? Wer
zählt mit bei der BR-Größe; Gemeinschaftsbetrieb - welche Voraussetzungen
müssen erfüllt sein?
Referent: Rechtsanwalt Wolfgang Steen
Mo.
+ Di., 18. + 19. Januar 2010 im
Hotel Hafen Hamburg
(Beginn Mo., 10.00; Ende Di.,
ca. 15.30 Uhr)
Maultaschen, Pfandbons und
Buletten
Gerät das deutsche Kündigungsschutzrecht aus
den Fugen?
Die Volksseele kocht. Immer mehr Urteile der Arbeitsgerichte
stoßen auf massive Kritik. Jetzt soll sogar eine fristlose Kündigung
rechtens sein, wenn sich eine Altenpflegerin 6 Maultaschen zurücklegt, um
sie am Ende eines langen Arbeitstages aufzuwärmen. Wohlgemerkt: Maultaschen,
die sonst weggeschmissen würden.
Die Bild-Zeitung druckt das Foto der „Richterin Gnadenlos“ vom
Arbeitsgericht Randolfzell. Selbst die konservative Frankfurter Allgemeine
Zeitung schreibt am 18.10.2009: „Schließlich werden millionenfach Kekse
gemopst und Bleistifte eingesteckt, ohne dass es zu Massenentlassungen
kommt. Denn genauso klar ist, dass durch einen zweckentfremdeten Fleischkloß
das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeiter wohl kaum in
seinen Grundfesten erschüttert wird. Wer das behauptet, kaschiert das
Offensichtliche: Solche Fälle haben entweder eine lange Vorgeschichte, oder
es wird ein Exempel statuiert.“
Was also lehren diese Fälle:
Interessenabwägung hat Vorrang
Es sind die Arbeitsgerichte, die scheinbar kritiklos auf den Zug
aufspringen: Jeder Diebstahl, sei die Sache auch noch so gering, belastet
das Vertrauensverhältnis. Tatsächlich haben die Gerichte jedoch eine
Interessenabwägung
vorzunehmen: Wiegt das Arbeitgeberinteresse,
einen (vermeintlichen) Verstoß zu ahnden höher, als das
Arbeitnehmerinteresse am Erhalt des Arbeitsplatzes. Und schließlich: In die
Interessenabwägung einzubeziehen ist auch, ob und wie lange das
Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei bestanden hat.
Wenn es also überhaupt eine „Vorgeschichte“ in all diesen
Fällen gibt, können kündigungsrelevant nur solche sein, die z.B. schon zu
einer Abmahnung oder Ermahnung geführt haben.
unzulässige
(interne) Stellenausschreibung
Beschränkung von Stellenausschreibungen auf Berufsanfänger kann unzulässig
sein
„Die
Begrenzung einer internen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten
Berufsjahr kann eine nach dem AGG unzulässige Altersdiskriminierung
darstellen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der beabsichtigte Einsatz von
Berufsanfängern lediglich dazu dient, Kosten zu sparen. Gegen einen solchen
groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflicht zur
diskriminierungsfreien Stellenausschreibung kann auch der Betriebsrat
vorgehen.“ Das hat das BAG jetzt entschieden.
Der
Fall:
Der
Arbeitgeber betreibt eine Reihe von Drogerieketten. Er hatte interne
Stellenausschreibungen im Jahr 2007 wiederholt mit der Angabe "Tarifgruppe …
/ erstes Berufsjahr" versehen. Die Mitarbeiterinnen des ersten Berufsjahrs
des Arbeitsgebers sind durchschnittlich etwa 29 Jahre alt. Im zweiten
Berufsjahr steigt das durchschnittliche Alter auf 36 Jahre an und beträgt ab
dem dritten Berufsjahr durchschnittlich etwa 43 Jahre.
Der für
den Betrieb R. gewählte Betriebsrat verlangte mit seinem Antrag von dem
Arbeitgeber, in internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des ersten
Berufsjahres zu verzichten, da hierin eine mittelbare Diskriminierung wegen
des Alters liege. Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Auffassung, dass eine
etwaige Ungleichbehandlung aufgrund des berechtigten Anliegens
gerechtfertigt sei, durch den Einsatz von Berufsanfängern Kosten zu sparen.
Nachdem
das LAG anderer Meinung war, hatte der Betriebsrat vor dem BAG keinen
Erfolg.
Das BAG
führt aus:
längere Zugehörigkeit = typischerweise älter
Der Arbeitgeber muss bei internen Stellenausschreibungen auf die
Angabe des ersten Berufsjahres verzichten. Eine solche Beschränkung kann
grds. eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters i.S.v. §
3 Abs. 2 AGG darstellen, da Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren
typischerweise älter sind als Berufsanfänger. Die Ungleichbehandlung kann
allerdings gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber damit ein rechtmäßiges
Ziel verfolgt und die Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels angemessen und
erforderlich ist.
Im
Streitfall hat sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung auf Kostengründe und
das knappe Personalbudget berufen. Da diese Begründung offensichtlich
ungeeignet ist, eine Beschränkung des Bewerberkreises auf jüngere
Beschäftigte zu rechtfertigen, hat der Arbeitgeber grob gegen seine Pflicht
zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gem. § 11 AGG verstoßen.
Hiergegen konnte gem. § 17 Abs. 2 AGG der Betriebsrat vorgehen.
(BAG vom
18.8.2009, 1 ABR 47/08)
Spezialthema „Zillmerung“
(bei Direktversicherungen)
BAG
nimmt Arbeitgeber in die Verantwortung - Gezillmerte Versicherungstarife bei
Entgeltumwandlungen sind unzulässig
Das
Problem: Bei Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages fallen Abschluss-
und Vertriebskosten an.
Diese
belasten sofort das Konto, so dass sich in den ersten Jahren nur ein
verhältnismäßig geringes Kapital aufbaut. Wird aber Barlohn in eine
Direktversicherung umgewandelt, darf dieser nicht geschmälert werden.
Der
Fall: Der Kläger war von 2001 bis 2007 beschäftigt. 2004 wurde eine
Entgeltumwandlung vereinbart, wobei der Anspruch des Klägers auf Barlohn
i.H.v. vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in eine sofort
unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung umgewandelt
wurde. Hierfür wurde eine Direktversicherung abgeschlossen.
Der
zugrunde gelegte Versicherungstarif war gezillmert, d.h. die bei Abschluss
des Versicherungsvertragsanfallenden einmaligen Abschluss- und
Vertriebskosten belasteten sofort das Konto des Klägers. Dementsprechend
wurde in den ersten Jahren nach Beginn des Versicherungsverhältnisses
überhaupt kein oder nur ein verhältnismäßig geringes Deckungskapital
aufgebaut.
Zum
1.10.2007 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte die Beklagte umgewandelten Barlohn i.H.v. insgesamt rd.
7.000 € bei der Versicherung eingezahlt. Wegen der Zillmerung belief sich
das Deckungskapital aber lediglich auf rd. 4.700 €. Daraufhin verlangte der
Kläger von seinem Arbeitgeber die Auszahlung des umgewandelten
Arbeitsentgelts von rd. 7.000 €. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.
Das
Bundesarbeitsgericht hat sich zwar noch nicht endgültig festgelegt, aber
ausgeführt:
Entgeltumwandlung darf nicht gezillmert werden
„Zwar verstößt bei einer Entgeltumwandlung die Verwendung (voll)
gezillmerter Versicherungsverträge nicht gegen das Wertgleichheitsgebot des
Betriebsrentengesetzes. Es kann aber eine unangemessene Benachteiligung
i.S.d. § 307 BGB vorliegen. Angemessen könnte es sein, die Abschluss- und
Vertriebskosten auf fünf Jahre zu verteilen.“
Der
Kläger konnte sich hier zwar noch nicht durchsetzen, weil er von seinem
Arbeitgeber die volle Rückerstattung gefordert hatte. Für künftige Verträge
ist allerdings dieses Urteil wegweisend, weil sich die
Versicherungsgesellschaften entsprechend umstellen müssen.
(Bundesarbeitsgericht vom 15.9.2009, 3 AZR 17/09)
Wenn Bewerber bluten müssen
Sind
Bluttests überhaupt zulässig? Datenschutz und Arbeitsrecht
Im
Gegensatz zu harmlosen Seh- oder Fitnesstests gewährt ein Bluttest intimste
Einblicke in die Gesundheit eines
Menschen. Er kann Aufschluss über eine Diabetes-Erkrankung geben, über den
Cholesterin-Spiegel, erhöhte Leberwerte oder eine HIV-Infektion.
"Arbeitgeber, die Bluttests verlangen, müssen sich die Frage gefallen
lassen, was sie eigentlich damit herausfinden wollen", sagt Martina Perreng,
Arbeitsrechtsexpertin beim DGB. "Bloß weil jemand erhöhte Leberwerte hat
oder HIV-infiziert ist, heißt das ja nicht, dass er seine Arbeit nicht gut
macht." Ihrer Ansicht nach sind Bluttests deshalb generell nicht erlaubt. Im
Übrigen seien nicht nur Gesundheitstests, sondern auch Fragen nach dem
Gesundheitszustand nur zulässig, wenn sie für die konrete Arbeit benötigt
würden.
Können
Bewerber sich weigern?
Genau
hier liege das Problem, sagt Perreng. "Wer die Stelle haben will, wird sich
im Zweifelsfall zu einer ärztlichen Untersuchung bereit erklären." Sie hofft
jedoch, dass solche Fälle öffentlich gemacht werden, damit Arbeitgeber
abgeschreckt werden. Ein möglicher Kompromiss sei, dass der Arbeitnehmer ein
Attest seines Hausarztes vorlegt.
(Süddeutsche Zeitung 29.10.2009)
vom Kater gebissen
Eine
Tierpflegerin in einer Tierarztklinik passierte Folgendes:
Auf
Aufforderung des Arztes hatte sie einen widerspenstigen Kater einzufangen,
der untersucht und kastriert werden sollte. Dabei war sie von dem Tier
gebissen worden. Eine Infektion beeinträchtigte den Heilungsprozess und
führte schließlich dazu, dass ihr ein künstliches Fingermittelgelenk
eingesetzt werden musste.
Sie
verlangte nun von ihrem Arbeitgeber Zahlung von Schmerzensgeld. Das LAG wies
die Klag mit der Begründung ab, der Arbeitgeber hafte bei Arbeitsunfällen
nur dann auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, wenn er den Schaden
vorsätzlich herbeigeführt hat. Der beklagte Arzt hat allenfalls bewusst
fahrlässig gehandelt, als er der Klägerin die Anweisung gab, den renitenten
Kater einzufangen.
(Hessisches LAG 14.7.2009, 13 Sa 2141/08)
NewsLetter
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BETRIEBSRAT - NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 05 / 2009
►
Arbeitszeit im Außendienst
Grundsatzentscheidung des BAG
►
AGG-Beschwerdestelle
mitbestimmungspflichtig
Der GBR
kann zuständig sein
►
Personalgespräch kann verweigert werden
Abmahnung muss entfernt werden
►
keine versteckten Hinweise im Zeugnis
ArbG
Herford kippt überraschende Klausel
►
„Klei mi ann Mors“
kein Grund zur fristlosen Kündigung
►
Verträge mit Pauschalvergütung
LAG Hessen erkennt Mitbestimmung
►►►
Seminar für Neugewählte 2010
„Die
ersten Schritte im Betriebsrat“
Crash-Kurs von Di. – Fr. 22. – 27. Juni 2010 im Hotel Hafen Hamburg mit
"Dämmertörn" auf der Außenalster - http://www.seminare37absatz6.de
Wegezeit ist Arbeitszeit im
Außendienst
Das
Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Frage der Wegezeiten von
Außendienstler auseinander zu setzen. In einer Grundsatzentscheidung heißt
es jetzt:
1.
Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden
Bedürfnisses dient. Keine Arbeit wird für den Arbeitgeber durch den Weg zur
Arbeit erbracht. Dagegen gehört die Reisetätigkeit bei
Außendienstmitarbeitern zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten (§ 611
Abs. 2 BGB). Mangels festen Arbeitsorts können sie ihre vertraglich
geschuldete Arbeit ohne dauernde Reisetätigkeit nicht erfüllen.
2. Das
wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit ist darauf gerichtet, verschiedene
Kunden zu besuchen, wozu die jeweilige Anreise zwingend gehört. Das gilt
nicht nur für die Fahrten zwischen den Kunden. Die Fahrten zum ersten Kunden
und vom letzten Kunden zurück bilden mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit
und stellen nach der Verkehrsanschauung jedenfalls bei
Außendienstmitarbeitern, Vertretern, "Reisenden" u.ä. insgesamt die
Dienstleistung iSd. §§ 611, 612 BGB dar. Das ist unabhängig davon, ob der
Fahrtantritt ab der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder ab der Wohnung des
Arbeitnehmers erfolgt.
Vom Home-Office mit Fahrgeldanspruch
In dem Fall hatte der Arbeitgeber die vorherige Niederlassung
geschlossen und für die Service-Techniker eine „Home Office-Lösung“
eingerichtet. In einer Gesamt-Betriebsvereinbarung hieß es dann: „Die
Arbeitszeit beginnt beim ersten Kunden und endet beim letzten Kunden.“
Die
Techniker sollten ihre Einsätze selbst disponieren und erhielten, wenn der
erste Kunde nicht wohnortnah war, eine Zeitgutschrift nur, wenn die
Fahrtzeit über 30 Minuten betrug („Eine Fahrtzeit von 30 Minuten bis zum
ersten Kunden gilt als zumutbar.“)
Der Kläger machte mit seiner Zahlungsklage für den Zeitraum von rund einem
Jahr insgesamt 145,02 zusätzliche Stunden geltend multipliziert mit einem
Stundenlohn von 16,65 Euro.
Landes-
und Bundesarbeitsgericht gaben dem Kläger Recht, weil er zum Lenken eines
Fahrzeuges verpflichtet gewesen ist.
Gegenteilige Betriebsvereinbarung steht nicht entgegen
Auf die (zum Teil) gegenteiligen Festlegungen in der
Gesamt-Betriebsvereinbarung kam es nicht an.
Das BAG: „Die GBV ist jedenfalls nicht zwingend. Vielmehr gilt das
Günstigkeitsprinzip, da nach dem Arbeitsvertrag des Klägers Anfahrts- und
Rückfahrtszeiten in vollem Umfang in die Arbeitszeit einbezogen waren.“
(BAG v.
22.4.2009 - 5 AZR 292/08)
AGG-Beschwerdestelle
mitbestimmungspflichtig
„Der
Betriebsrat hat mitzubestimmen bei der Einführung und Ausgestaltung des
Verfahrens, in dem Arbeitnehmer ihr Beschwerderecht nach dem AGG wahrnehmen
können.“
Dies hat
das Bundesarbeitsgericht jetzt grundsätzlich festgestellt.
Es geht
darum, dass der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 5 AGG die für Beschwerden
zuständige Stelle im Betrieb bekannt machen. Die Beachtung eines bestimmten
Verfahrens, um sich zu beschweren, ist allerdings nicht vorgeschrieben. Die
Einführung und Ausgestaltung fällt aber nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter
die Mitbestimmung des Betriebsrats.
Das BAG
hierzu:
„Der
Betriebsrat kann zu diesem Zweck selbst initiativ werden und ein
Beschwerdeverfahren über eine Einigungsstelle durchsetzen. Dagegen hat er
kein Mitbestimmungsrecht bei der Frage, wo der Arbeitgeber die
Beschwerdestelle errichtet und wie er diese personell besetzt. Hierbei
handelt es sich um mitbestimmungsfreie organisatorische Entscheidungen.
Errichtet der Arbeitgeber eine überbetriebliche Beschwerdestelle, steht das
Mitbestimmungsrecht beim Beschwerdeverfahren nicht dem örtlichen
Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.“
Beschwerdestelle überbetrieblich
Mit dieser Entscheidung ist also geklärt, dass die Beschwerdestelle
„überbetrieblich“, z.B. in der Zentrale angesiedelt werden kann – dann steht
dem GBR das Mitbestimmungsrecht zu. Das gesamte Verfahren, wie Beschwerden
„abgehandelt“ und welche Konsequenzen ggf. gezogen werden, ist dagegen
insgesamt mitbestimmungspflichtig..
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2009 - 1 ABR 42/08)
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Personalgespräch kann
verweigert werden
Arbeitnehmer dürfen Teilnahme an Personalgespräch verweigern
Das
Weisungsrecht des Arbeitgebers beinhaltet nicht die Befugnis, den
Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Personalgespräch über eine Änderung des
Arbeitsvertrags zu verpflichten. Weigert sich der Arbeitnehmer, an einem
solchen Gespräch teilzunehmen, darf der Arbeitgeber daher keine Abmahnung
aussprechen.
Der
Fall: Die Klägerin ist als Altenpflegerin beschäftigt. Nachdem der
Arbeitgeber in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, wollte er das
13. Monatsgehalt der Mitarbeiter reduzieren. Zu diesem Zweck wurde ein
gemeinsames Gespräch mit allen betroffenen Mitarbeitern geführt. Weil dieses
kein endgültiges Ergebnis brachte, wurden alle betroffenen Arbeitnehmer,
darunter auch die Klägerin, zu Einzelgesprächen in das Büro des
Personalleiters geladen.
Die
Klägerin erschien zwar zum Einzelgespräch, erklärte aber, nur zusammen mit
den anderen Kollegen über die Verminderung des 13. Gehalts verhandeln zu
wollen. Dies lehnte der Arbeitgeber ab und erteilte der Klägerin eine
Abmahnung, weil das Personalgespräch Teil der geschuldeten Arbeitsleistung
gewesen sei. Die Klägerin habe daher ihre Arbeitsleistung verweigert.
Mit
ihrer Klage verlangte die Klägerin die Entfernung der Abmahnung aus ihrer
Personalakte. Das Direktionsrecht der Beklagten beziehe sich nur auf die
Arbeitsinhalte und nicht auf die Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen
Regelungen. Insoweit gelte vielmehr der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das
ArbG wies die Klage ab; das LAG gab ihr statt. Die hiergegen gerichtete
Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Die
Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernung der
Abmahnung aus der Personalakte. Die Klägerin war nicht zur Teilnahme an
einem Einzelgespräch über die von der Beklagten gewünschte Absenkung der
Vergütung verpflichtet.
Nur Direktionsrecht ist durchsetzbar
Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern zwar kraft ihres
Direktionsrechts Weisungen erteilen. Das gilt aber nicht uneingeschränkt.
Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der
Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese
Arbeitsbedingungen nicht bereits durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung,
Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht umfasst
außerdem Weisungen zur Ordnung und dem Verhalten der Arbeitnehmer im
Betrieb.
Im
Streitfall wollte die Beklagte die Klägerin zur Teilnahme an einem
Personalgespräch verpflichten, in dem es ausschließlich um die Absenkung der
Arbeitsvergütung gehen sollte. Diese Weisung betraf keinen der von § 106
GewO abgedeckten Bereiche. Es ging auch nicht um die Ordnung oder das
Verhalten der Klägerin im Betrieb, sondern ausschließlich um die von der
Beklagten gewünschte Änderung des Arbeitsvertrags. Die Weisung war daher
nicht vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst.
(BAG
Urteil v. 23.6.2009, 2 AZR 606/08)
keine versteckten Hinweise
im Zeugnis
Arbeitgeber dürfen in einem Arbeitszeugnis nicht anbieten, künftigen
Arbeitgebern jederzeit für telefonische Nachfragen über die Arbeitsqualität
des Arbeitnehmers zur Verfügung zu stehen.
Ein
solcher Passus verstößt gegen § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO und ist ersatzlos zu
streichen. Er ist objektiv als verschlüsselter Hinweis darauf zu verstehen,
dass die im Zeugnis enthaltene Leistungsbeurteilung nicht den wirklichen
Leistungen des Arbeitnehmers entspricht.
Der
Fall: Ein Passus im Arbeitszeugnis lautete:
"Gerne
stehen wir jedem zukünftigen Arbeitgeber von Frau S. hinsichtlich Nachfragen
über die Qualität der von ihr für uns geleisteten Arbeit zur Verfügung."
Die
Klägerin wandte sich gegen die Passage mit Erfolg vor dem Arbeitsgericht
Herford.
Das
Gericht::
ungewöhnlich und überraschend
Objektiv kann der streitige Satz nur als verschlüsselte
Aufforderung verstanden werden, sich über die vom Zeugnisinhalt abweichende
wirkliche Qualität der Arbeit der Klägerin zu informieren. Das Angebot ist
derart ungewöhnlich und überraschend, dass dem Leser hiermit eine andere
Aussage über die Leistungsqualität der Klägerin suggeriert wird, als es der
Zeugnistext nahe legt.
(ArbG
Herford vom 0 1.04.2009, 2 Ca 1502/08)
„Klei mi ann Mors“
Kein
Grund zur fristlosen Kündigung
Der
Fall: Zwischen dem Kläger und
seiner Vorgesetzten kam es zu einem konfliktgeladenen Gespräch, in dem es
unter anderem um einen Urlaubswunsch des Klägers ging. Eine Einigung wurde
nicht erzielt, die Atmosphäre und der Tonfall verschärften sich. Wer es zu
verantworten hat, dass der Streit eskalierte, ist zwischen den Parteien
streitig. Jedenfalls sagte der Kläger schließlich zu seiner Vorgesetzten:
“Klei mi ann Mors”. Der Arbeitgeber empfand diese Äußerung als grobe
Beleidigung und nahm sie zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung des
Arbeitsverhältnisses.
Das
Arbeitsgericht Hamburg musste erst einmal aus dem Plattdeutschen übersetzen.
Im Urteil heißt es:
Plattdeutsche Übersetzung
„Der Kläger hat sich gegenüber seiner Vorgesetzten zwar
nicht korrekt verhalten, indem er ihr gegenüber
erklärte:”Klei mi ann Mors”. Dies ist plattdeutsch und bedeutet auf
Hochdeutsch: “Kratz mich am Hintern”.
Hier irrt also die Beklagte, wenn sie meint, dass “Klei mi ann Mors”
mit: “Leck mich am Arsch” zu übersetzen sei.
Gleichwohl ist die Äußerung des Klägers ungehörig, denn sie ist unhöflich.
Ein solcher Ton verbietet sich gegenüber einer Vorgesetzten, zumal wenn es
sich um eine Frau handelt. Dass das Gewicht dieser Unhöflichkeit jedoch
einer schweren Vertragsverletzung gleichkommen würde, die “an sich” geeignet
ist, einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darzustellen,
erscheint ausgesprochen zweifelhaft. Rechtlich maßgebend ist nicht die
subjektive Bewertung der betroffenen Frau G., es findet vielmehr eine
verobjektivierte Betrachtung statt.“
Die
Kündigung war nicht rechtens. Übrigens: Das Gericht lehnte es ab, die
fristlose in eine fristgerechte Kündigung „umzudeuten“. Der Kläger wird also
weiterbeschäftigt.
(Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 12. Mai 2009 – 21 Ca 490/08)
Mitbestimmung bei
Pauschalvergütung
„Das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird
verletzt, wenn ein Arbeitgeber nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung,
die Freizeitausgleich für Mehrarbeit vorsieht, mit neu eingestellten
Arbeitnehmern formularmäßig die Abgeltung etwaiger Mehrarbeit durch die
Jahrespauschalvergütung vorsieht.“
weil neue Entlohnungsgrundsätze
Das LAG Hessen hat hier erkannt, dass „neue Entlohnungsgrundsätze“
aufgestellt werden, wenn der Arbeitgeber die Höhe der Vergütung losgelöst
vom Umfang der dafür als Gegenleistung zu erbringenden Arbeitszeit festlegt.
(Hess.
LAG, Beschl. v. 15.01.2009 - 5
TaBV 140/08)
www.gefaerdungsbeurteilung.de
Unter
der Adresse www.gefaehrdungsbeurteilung.de bietet die Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ab sofort ihr neues Onlineportal zur
Gefährdungsbeurteilung an.
NewsLetter
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BETRIEBSRAT - NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 04 / 2009
►
auch scharfe Kritik erlaubt
LAG Hamm
gibt BR-Vorsitzenden Recht
►
Zweites Kind – Elternurlaub wird
verlängert
BAG
entscheidet zu Gunsten der Klägerin
►
Im Zweifel … für den Betriebsrat
Beteiligung
bei Überleitung in TVöD
►
Mithören lassen !
kein
Beweisverwertungsverbot
►►►
Seminar
“BR-Wahl 2010 – rechtzeitig
vorbereiten“
Schwerpunkte: Einbeziehung von Leih- und Zeitarbeitnehmern;
Gemeinschaftsbetrieb
3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg -
Mo. – Mi., 23. - 25. Nov
2009
am Dienstag, 24.11. -
Besuch „Heiße Ecke“ im Schmidt’s Tivoli
Auch scharfe Kritik erlaubt
Kritische Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden rechtfertigen nur in
Ausnahmefällen eine außerordentliche Kündigung
Arbeitgeber und ihre Repräsentanten müssen sich kritische Äußerungen des
Betriebsratsvorsitzenden grundsätzlich gefallen lassen. Das gilt jedenfalls
dann, wenn die Kritik nicht in ehrverletzender Form geäußert wird. Eine
außerordentliche Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden wegen kritischer
Äußerungen kommt nur bei groben Beleidigungen oder Diffamierungen in
Betracht.
Der
Fall:
Die
Arbeitgeberin (DRK Blutspendedienst West) wollte das Arbeitsverhältnis mit
dem Vorsitzenden des Betriebsrats in M. und gleichzeitigen
Gesamtbetriebsratsvorsitzenden A. außerordentlich kündigen. Sie warf A. vor,
dass er die Leitung des Blutspendedienstes grob beleidigt und ihren
Geschäftsführer persönlich diffamiert habe. A. setze zudem die
Interessenvertretung für den Betriebsrat mit Tätigkeiten für die
Gewerkschaft ver.di gleich. Er habe auf einer Betriebsversammlung das Podium
zur Werbung für ver.di genutzt und sich polemisierend über die Christliche
Gewerkschaft DHV geäußert.
Tarifexperiment
Hintergrund des Konflikts ist ein seit Jahren schwelender und vor
den Arbeitsgerichten ausgetragener Streit um die Anwendung verschiedener
Tarifverträge. Der Gesamtbetriebsrat wirft der Arbeitgeberin in soweit ein
zweifelhaftes "Tarifexperiment" mit der Gewerkschaft DHV vor.
Der
Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des A.
Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin die gerichtliche Ersetzung der
Zustimmung und hilfsweise den Ausschluss des A. aus dem Betriebsrat. Das
ArbG lehnte die Anträge ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der
Arbeitgeberin hatte vor dem LAG ebenfalls keinen Erfolg. Das LAG entschied
jetzt rechtskräftig.
Die
Gründe:
Die vom
Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des A.
war nicht gemäß § 103 Abs.2 S.1 BetrVG gerichtlich zu ersetzen, da die
beabsichtigte Kündigung nicht gerechtfertigt ist. A. ist auch nicht aus dem
Betriebsrat auszuschließen. Derartige Maßnahmen kommen nur bei groben
Beleidigungen oder Diffamierungen in Betracht. Diese sind in den
beanstandeten Äußerungen des A. nicht zu sehen.
Grundsätzlich müssen sich Arbeitgeber und ihre Repräsentanten auch scharfe
Kritik durch den Betriebsrats gefallen lassen, soweit diese nicht in
ehrverletzender Form geäußert wird. Im Streitfall ist die Grenze des
zulässigen nicht überschritten worden, zumal A. sich bereits vor Einleitung
des Verfahrens beim Geschäftsführer entschuldigt hat. Es sind auch keine
Pflichtverletzungen erkennbar, die einen Ausschluss aus dem Betriebsrat
rechtfertigen würden.
(LAG
Hamm 20.03.2009, 10 TaBV 149/08)
Zweites Kind – Elternurlaub
wird verlängert
Wegen
der Geburt eines zweiten Kindes vorzeitig beendete Elternzeit kann
regelmäßig später nachgeholt werden
Arbeitnehmer können die in Anspruch genommene Elternzeit wegen der Geburt
eines weiteren Kindes grundsätzlich unterbrechen und den verbleibenden
Anteil von bis zu zwölf Monaten auf einen späteren Zeitraum zwischen
Vollendung des dritten und des achten Lebensjahrs des Kindes übertragen. Der
Arbeitgeber muss der Übertragung zwar zustimmen, ist dabei aber an billiges
Ermessen gemäß § 315 BGB gebunden.
Der
Fall:
Die
Klägerin war seit 1999 bei der Beklagten als Reiseverkehrskauffrau
beschäftigt. Ihr erstes Kind wurde im Juli 2004 geboren. Sie nahm hierfür
drei Jahre Elternzeit in Anspruch. Im Juli 2006 kam ihr zweites Kind zur
Welt. Auch für dieses Kind nahm sie mit Schreiben vom 16.08.2006 drei Jahre
Elternzeit in Anspruch. Die Elternzeit für ihr erstes Kind sollte deshalb
vorzeitig beendet und die dadurch verbleibende Elternzeit an die Elternzeit
für das zweite Kind "drangehängt" werden.
Die
Beklagte verweigerte ihre Zustimmung zur Übertragung der Elternzeit. Sie
begründete dies damit, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin
aufgrund der längeren Abwesenheit noch mehr abnähmen und damit eine
Wiederaufnahme der Tätigkeit immer schwerer werde.
Mit
ihrer Klage begehrte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zur
Übertragung der Elternzeit. Sie machte geltend, dass der Übertragung der
Elternzeit entgegenstehende Interessen der Beklagten nicht erkennbar seien.
Die Beklagte könne aufgrund der Größe des Unternehmens und des Umstands,
dass sie überwiegend Teilzeitkräfte beschäftige, ohne Weiteres auch für den
Übertragungszeitraum auf ihre Arbeitsleistung verzichten.
Die
Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Die Begründung des BAG:
"Die Beklagte muss der begehrten Übertragung der Elternzeit zustimmen. Die
Klägerin konnte die für ihr erstes Kind in Anspruch genommene Elternzeit
wegen der Geburt des zweiten Kindes vorzeitig beenden. Nach § 16 Abs.3 S.2
BErzGG/BEEG kann der Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung der Elternzeit
aus diesem Grund nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen
Gründen schriftlich ablehnen. Solche der Beendigung entgegenstehende
dringende betriebliche Gründe hat die Beklagte nicht nennen können.
Den
durch eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit verbleibenden Anteil von bis
zu zwölf Monaten können Arbeitnehmer gemäß § 16 Abs.3 S.2 in Verbindung mit
§ 15 Abs.2 S. 4 BErzGG/BEEG mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit
nach Vollendung des dritten bis zur Vollendung des achten Lebensjahrs des
Kindes übertragen."
Im
Streitfall hat die Beklagte ihre Zustimmung zur Übertragung der Elternzeit
zwar verweigert. Diese Weigerung entspricht aber nicht billigem Ermessen
nach § 315 BGB. Denn sie hat nicht dargelegt, welche Nachteile ihr durch die
Übertragung der Elternzeit entstehen.
(BAG
21.04.2009, 9 AZR 391/08)
Im Zweifel … für den
Betriebsrat
Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei der Überleitung in die
Entgeltordnung des TVöD
Bei der
Überleitung von Beschäftigten zu den Entgeltgruppen und den Stufen der
Entgelttabelle des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) nach den
Regelungen des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der
kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts
(TVÜ-VKA) ist der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen.
München war anderer Meinung
Das hat jetzt (erst) das Bundesarbeitsgericht in einer
Grundsatzentscheidung festgestellt. Interessant: beide Vorinstanzen in
München hatten den Anspruch des BR abgelehnt, erst das BAG konnte helfen.
Die Arbeitgeber haben stets damit argumentiert, die Überleitung sei eine
bloße Formalität.
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. April 2009 - 4 ABR 14/08)
Mithören lassen !
Kein
Beweisverwertungsverbot, wenn Freundin Telefongespräch mitgehört hat
Der
Fall: Ein Zeitarbeitsunternehmen kündigte der Klägerin während ihrer
Krankheit und innerhalb der Probezeit. Die Klägerin hält die Kündigung für
sittenwidrig und hat geltend gemacht, sie sei unmittelbar
vor der Kündigung von der Personaldisponentin der Beklagten angerufen
worden.
Diese
habe ihr gesagt, sie solle trotz der Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit kommen,
andernfalls müsse sie mit einer Kündigung rechnen. Das Unternehmen
bestreitet die behauptete Äußerung der PersonalDisponentin. Für die
Richtigkeit ihrer Behauptung hat sich die Klägerin auf das Zeugnis einer bei
dem Telefonat anwesenden Freundin berufen, welche das Gespräch zufällig ohne
ihr Wissen mitgehört habe.
Im
Prozess lässt das Arbeitsgericht (München) die Vernehmung der Freundin
allerdings nicht zu, hört nur die Personaldisponentin an und weist die Klage
ab. Die Klägerin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg.
Die
Begründung: „Das Landesarbeitsgericht durfte von der Vernehmung der Freundin
der Klägerin als Zeugin nur verzichten, wenn die Klägerin dieser
zielgerichtet ermöglicht hatte, das Telefongespräch heimlich mitzuhören.
Wenn sie z.B. den Raumlautsprecher des Telefons anstellt oder das Gerät vom
Ohr weghält, verletzt sie das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners.“
grundrechtlcher Schutz im gerichtlichen Verfahren
Dagegen besteht dann, wenn der Angerufene nichts dazu beigetragen
hat, dass der Dritte das Telefongespräch mithören konnte, kein
Beweisverwertungsverbot. Das Interesse des Angerufenen an der Durchsetzung
seiner im Einzelfall auch grundrechtlich geschützten Rechte in einem
gerichtlichen Verfahren sowie das Interesse der Allgemeinheit an einer
funktionsfähigen Rechtspflege und materiell richtigen Entscheidung über
wiegen das Interesse des Anrufers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts.
Die
Sache wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen um zu klären, ob
eine unzulässige Maßregelung vorlag.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. April 2009 - 6 AZR 189/08)
Merke:
Manchmal ist es sinnvoll, jemanden Mithören zu lassen (aber eben nur
„zufällig“..).
NewsLetter
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BETRIEBSRAT - NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 03 / 2009
►
Änderung der Rechtsprechung:
Urlaub trotz Krankheit
- jetzt
auch vom Bundesarbeitsgericht bestätigt +++ gilt rückwirkend +++ Ansprüche
geltend machen
►
Sonderkündigungsschutz auch für den
Abfallbeauftragten
…wenn im
Arbeitsvertrag ausdrücklich zugewiesen
►►►
nur noch wenige Plätze
„Europa
– Einfluss auf das Arbeitsrecht“
mit
Prof. Wolfgang Däubler -
3-Tages-Seminar im Hotel Hafen
Hamburg,
Mo. – Mi., 11. – 13. Mai 2009
►►►
neu +++ neu +++ neu
“Kurzarbeit und Sozialplan
erfolgreich verhandeln“
Entlassungen, Kurzarbeit, Wann welche Forderungen stellen,
Verhandlungsablauf und -taktiken - 3-Tages-Seminar
im Hotel Hafen Hamburg - Mo. – Mi.,
22. - 24. Juni 2009
Urlaub trotz Krankheit
Nach der
bahnbrechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat jetzt auch
das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung angepasst:
Jedenfalls der gesetzliche Mindesturlaub kann nicht verfallen, auch wenn die
Krankheit länger andauert, z.B. über den 31. März des Folgejahres hinaus.
Dies bisher gegenteiligen Rechtsprechung wurde ausdrücklich aufgegeben
(Urteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 -).
Auslöser
hierfür war eine Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009.
Der
Fall: Die Klägerin war seit
August 2005 bei dem Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Im Juni 2006
erlitt sie einen Schlaganfall und war bis zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses am 31.01.2007 und darüber hinaus durchgehend
arbeitsunfähig. Mit ihrer Klage verlangte sie vom Beklagten unter anderem
die Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 und
2006.
Das BAG:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Abgeltung der
gesetzlichen Urlaubsansprüche. Bisher wurde Bundesurlaubsgesetz so
ausgelegt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der
Urlaubsanspruch aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden
kann. Hieran wird nicht mehr fest gehalten.
Nach der
EuGH-Entscheidung darf der bezahlte Mindestjahresurlaub von vier Wochen
nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Hieraus folgt für das
deutsche Recht, dass Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Teil- oder
Vollurlaubs nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des
Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb
arbeitsunfähig ist.
kein Vertrauensschutz für Arbeitgeber
Das BAG zur Rückwirkung der Entscheidung: „Jedenfalls seit
Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des LAG Düsseldorf vom
02.08.2006 durften Arbeitgeber nicht mehr auf den Fortbestand der bisherigen
Rechtsprechung vertrauen. Daher steht gesetzlichen Ansprüchen, die zu diesem
Zeitpunkt noch nicht verfallen waren, trotz krankheitsbedingter
Arbeitsunfähigkeit kein Erfüllungshindernis entgegen.“
Mit
anderen Worten: Wer wegen (lang andauernder) Krankheit sogar noch
Urlaubsansprüche aus 2007 und 2008 hat, kann diese auch noch einfordern.
Der
Hintergrund: Die Entscheidung des BAG betrifft nur den Anspruch auf den
gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen im Jahr, nicht einen tariflich
oder einzelvertraglich vereinbarten Mehrurlaub.
►►►
Europa-Seminar:
„Europa
– Einfluss auf das Arbeitsrecht“ - mit
Prof. Wolfgang Däubler
Entscheidungen des EuGH greifen immer stärker in das deutsche Arbeitsrecht
ein. Aber auch die europäische Kommission ist nicht untätig, zuletzt mit der
Erweiterung der Möglichkeiten für Europäische Betriebsräte.
Prof: Wolfgang Däubler
ist herausragender Spezialist vor allem für europarechtliche
Fragestellungen.
am Dienstag, 12. Mai -
Besuch „Heiße Ecke“ im Schmidt’s Tivoli
3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg
Mo. – Mi., 11. – 13. Mai 2009
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Sonderkündigungsschutz auch
für den Abfallbeauftragten
„Hat der
Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Betriebsbeauftragten für Abfall bestellt,
so ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig. Das
Arbeitsverhältnis kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der
Sonderkündigungsschutz setzt eine wirksame Bestellung als Abfallbeauftragter
voraus. Die Bestellung bedarf der Schriftform und wird regelmäßig gesondert
dokumentiert. Im Einzelfall
kann sie bereits im schriftlichen Arbeitsvertrag erfolgen.“ Dies hat das
Bundesarbeitsgericht jetzt gegen die Vorinstanzen entschieden.
Der
Fall: Der Kläger war seit dem 2. Mai 2006 bei der Beklagten angestellt. Im
Arbeitsvertrag ist festgehalten, dass dem Kläger neben seiner Tätigkeit als
Betriebsleiter auch die des Betriebsbeauftragten für Abfall oblag. Die
Beklagte erstellte im Mai 2006 ein Organigramm, das den Kläger als
Abfallbeauftragten auswies. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2006 kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 24. November 2006 und bot dem
Kläger eine Weiterbeschäftigung zu geänderten
Bedingungen an.
Die
ordentliche Kündigung ist wegen Verstoßes gegen den in § 55 Abs. 3
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) geregelten
Sonderkündigungsschutz nichtig. Die Beklagte hatte den Kläger mit Abschluss
des schriftlichen Arbeitsvertrags wirksam zum Abfallbeauftragten bestellt.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. März 2009 - 2 AZR 633/07)
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NewsLetter
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NewsLetter BETRIEBSRAT erscheint regelmäßig und wird per E-Mail kostenlos an
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BETRIEBSRAT - NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr. 02 / 2009
►
kein Verfall von Urlaub bei Krankheit
Bahnbrechende Entscheidung des EuGH
►
Diskriminierung bei Beförderung
LAG Berlin
wagt sich vor – Beweis per Statistik
►
Gleichgeschlechtliche Betriebsrente
BAG geht neue Wege
►
Widerspruch ist kein Missbrauch
Übergang in Service-Gesellschaft
►
rechtzeitig Aufwachen …
rät das LAG Köln
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Entscheidungen des EuGH greifen immer stärker in das deutsche Arbeitsrecht
ein. Aber auch die europäische Kommission ist nicht untätig, zuletzt mit der
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Wolfgang Däubler ist herausragender Spezialist vor allem für
europarechtliche Fragestellungen.
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kein Verfall von Urlaub bei
Krankheit
Arbeitnehmer haben auch bei lang andauernder Krankheit Anspruch auf
bezahlten Jahresurlaub
Der
Europäische Gerichtshof: „Arbeitnehmer verlieren ihren Anspruch auf
bezahlten Jahresurlaub - entgegen der deutschen Rechtspraxis – nicht, wenn
sie den Urlaub wegen Krankheit nicht antreten konnten. Der nicht genommene
Urlaub ist in diesem Fall abzugelten. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer
während des ganzen Jahres oder eines Teils da von arbeitsunfähig erkrankt
war und die Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses
fortbestanden hat.
Der EuGH
hatte in zwei Vorabentscheidungsverfahren darüber zu entscheiden, wie der in
der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) verankerte Anspruch auf bezahlten
Jahresurlaub auszulegen ist.
Das eine
Ausgangsverfahren betraf einen deutschen Fall.
Der
Fall:
Der
Kläger war seit 1971 bei dem Beklagten beschäftigt. Er war seit 1995 immer
wieder längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahr 2004 war er bis Anfang
September arbeitsfähig. Anschließend war er fortlaufend bis zur Beendigung
des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2005 krankgeschrieben. Mit seiner Klage
verlangte er die Abgeltung des in den Jahren 2004 und 2005 nicht genommenen
Jahresurlaubs.
Das ArbG
wies die Klage ab, weil nach den Vorschriften des BUrlG und der hierzu
ergangenen Rechtsprechung des BAG der Anspruch des Arbeitnehmers auf
Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs am Ende des Kalenderjahrs und
spätestens am Ende des Übertragungszeitraums verfalle. Das gelte auch, wenn
der Arbeitnehmer - wie hier - bis zum Ende des Übertragungszeitraums
arbeitsunfähig gewesen sei und deshalb keinen Urlaub habe nehmen können.
Auf die
Berufung des Klägers setzte das LAG Düsseldorf das Verfahren aus und legte
dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die deutsche Rechtspraxis
mit der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar ist. Der EuGH verneinte dies.
.... auch über das Urlaubsjahr hinaus
Die Gründe:
Es stellt einen Verstoß gegen den in der Arbeitszeitrichtlinie verankerten
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dar, wenn der Anspruch erlischt, weil
der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon
krankgeschrieben war und er deshalb seinen Urlaubsanspruch nicht ausüben
konnte. Das gilt auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat. In diesen Fällen ist der nicht
genommene Urlaub abzugelten.
Die
Urlaubsabgeltung ist in der Weise zu berechnen, als hätte der Arbeitnehmer
diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt.
Maßgeblich ist daher das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer
während des Jahresurlaubs weitergezahlt worden wäre.
Grundsätzlich gilt allerdings, dass der gemeinschaftsrechtliche Anspruch auf
bezahlten Jahresurlaub weder der Gewährung bezahlten Jahresurlaubs in der
Zeit eines Krankheitsurlaubs entgegensteht noch dessen Versagung, soweit der
betroffene Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch während eines anderen
Zeitraums ausüben kann.
Der
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub darf aber bei einem ordnungsgemäß
krankgeschriebenen Arbeitnehmer nicht davon abhängig gemacht werden, dass er
während des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Daher darf der
Anspruch nur dann verfallen, wenn der Arbeitnehmer während des
Bezugszeitraums tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Urlaubsanspruch
auszuüben. Dies ist bei einem durchgehend krankgeschriebenen Arbeitnehmer
nicht der Fall.
Der
Hintergrund:
Nach § 7
Abs.3 S.1 BUrlG muss der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr
gewährt und genommen werden. Lediglich bei dringenden betrieblichen oder in
der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen kann der Urlaub ins Folgejahr
übertragen werden. Er muss in diesem Fall gemäß § 7 Abs.3 S.3 BUrlG in den
ersten drei Monaten des Folgejahres genommen werden. Tarifverträge können
allerdings insoweit eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung vorsehen.
Der
Urlaub ist gemäß § 7 Abs.4 BUrlG abzugelten, wenn er wegen der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.
Das BAG hat § 7 BUrlG bislang dahingehend ausgelegt, dass der
Urlaubsanspruch komplett entfällt und damit auch nicht abzugelten ist, wenn
der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums krank war und
deshalb keinen Urlaub antreten konnte.
(EuGH
20.01.2009, C-350/06 u. C-520/06)
Anmerkung: Das Urteil geht über den Einzelfall hinaus. Zumindest für den
gesetzlichen Mindesturlaub (4 Wochen) kann es in Zukunft keinen Verfall mehr
geben, auch nicht bei Krankheit. Der Urlaub ist in „gesunden Zeiten“ zu
nehmen.
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“Sozialplan erfolgreich
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3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg -
22. - 24. Juni 2009
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Diskriminierung bei
Beförderung
Beweis
per Statistik – „rein männliche Führungsetage“
Einer
Klägerin, die wegen ihres Geschlechts bei einer Beförderungsentscheidung
(zur Personalleiterin) diskriminiert worden war, hat jetzt das
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Entschädigung und Schadensersatz
zugesprochen.
Das
besondere an dem Fall:
Die
Klägerin hat eine Statistik vorgelegt, nach der sämtliche 27
Führungspositionen nur von Männern besetzt waren (bei einer Verteilung von
2/3 Frauen in der Belegschaft). Dies hat das Gericht als
ausreichendes Indiz für die Diskriminierung gelten lassen.
Ebene
Männer
Frauen
Gesamt
Ebene 1:
Vorstand
3
0
3
Ebene 2:
Direktoren 15
0
15
Ebene 3:
Bezirksdirektoren
9
0
9
Ebene 4:
Abteilungsdirektoren
8
4
12
Ebene 5:
stellvertretende Bezirksdirektoren
3
1
4
Ebene 6:
Abteilungsleiter
12
19
31
Ebene 7:
Fachreferenten
2
3
5
Ebene 8:
Fachjuristen
6
1
7
Ebene 9:
sonstige AT-Mitarbeiter
34
24
58
gesamt:
92
52
144
Gesamtbelegschaft: 348
780
1128
Gesamtbelegschaft in %
31 % 69 %
Außerdem
seien in den höchsten zwei Gehaltsstufen des Tarifvertrages und im
außertariflichen Bereich 2/3 aller Männer und 1/3 aller Frauen eingruppiert.
Die
Klägerin hat auch vorgetragen, durch Äußerungen der Vorgesetzten
herabgewürdigt und eingeschüchtert worden zu sein („nahe gelegt, über ihre
berufliche Zukunft nachzudenken, ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen
einzuhalten, obwohl keine Pflichtverletzungen vorlagen“).
Da der
Arbeitgeber keine Stellenausschreibung oder sonstige schriftlich
dokumentierte Auswahlkriterien vorleget hatte, wurden die Indizien nicht
widerlegt. Die Firma konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die
Klägerin nicht die am besten geeignete Bewerberin gewesen war.
Als
Schadensersatz hat das Landesarbeitsgericht die Vergütungsdifferenz zu
derjenigen Position, in die die Klägerin nicht befördert worden war,
zugesprochen – dies auch unbegrenzt für die Zukunft.
Wegen
Verletzung des Persönlichkeitsrechts wurden der Klägerin darüber hinaus EUR
20.000,00 als Entschädigung wegen des immateriellen Schadens zugesprochen.
Das
Landesarbeitsgericht hat für Teile der Entscheidung die Revision zugelassen.
(Landesarbeitgericht
Berlin-Brandenburg v. 28.11.2008
Az.: 15 Sa 517/08).
Gleichgeschlechtliche
Betriebsrente
Lebenspartner können Anspruch auf Gleichbehandlung haben
Eine
betriebliche Hinterbliebenenversorgung für Ehegatten kann grundsätzlich auch
dem Überlebenden einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zustehen.
Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien am
01.01.2005 noch ein Rechtsverhältnis bestand. Das BAG hat offen gelassen, ob
dazu ein Arbeitsverhältnis erforderlich ist, oder ob es ausreicht, wenn der
Arbeitnehmer am 01.01.2005 Betriebsrentenansprüche oder eine unverfallbare
Betriebsrentenanwartschaft hatte.
(BAG
Urteil v. 14.01.2009, 3 AZR 20/07)
Widerspruch ist kein
Missbrauch
Betriebsübergang - Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses
- kein Rechtsmissbrauch
Bei
einem Betriebsübergang kann ein Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber innerhalb
eines Monats nach der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Übt der
Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht aus, muss er dieses weder begründen, noch
bedarf es eines sachlichen Grundes. Zwar kann grundsätzlich auch die
Ausübung des Widerspruchsrechts im Einzelfall rechtsmissbräuchlich erfolgen.
Der widersprechende Arbeitnehmer verfolgt aber keine unzulässigen Ziele,
wenn es ihm nicht ausschließlich darum geht, den Arbeitgeberwechsel zu
verhindern, sondern
wenn er mit dem Betriebserwerber über den Abschluss eines Arbeitsvertrages
zu günstigeren Bedingungen verhandelt.
noch Verhandlungen über
bessere Bedingungen
Der
Fall: Der Kläger war bei der beklagten Sparkasse als Immobilienfachberater
beschäftigt. Deren Immobilienvermittlungsgeschäft sollte auf eine
Vertriebs-GmbH übertragen werden. Der Kläger widersprach
dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH, erklärte sich aber
bereit, als Beschäftigter der Sparkasse bei der GmbH im Wege der
Personalgestellung zu arbeiten. Bei seiner Auffassung, Arbeitnehmer der
Beklagten zu sein, blieb der Kläger auch nach erfolglos verlaufenen
Verhandlungen über den Abschluss eines neuen, besseren Arbeitsvertrages mit
der GmbH und nachdem er schließlich im Betrieb der GmbH seine Arbeit
fortsetzte.
Der
Antrag des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den
Parteien war in allen drei Instanzen erfolgreich. Auch das
Bundesarbeitsgericht hielt die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den
Kläger nicht für rechtsmissbräuchlich und sein Festhalten am
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht für treuwidrig. Es steht dem
Arbeitnehmer frei, nach dem Widerspruch mit dem Betriebsveräußerer oder dem
Betriebserwerber über ein Arbeitsverhältnis auf neuer Grundlage zu
verhandeln. Auch mit der Arbeit für den Betriebserwerber hat sich der Kläger
nicht widersprüchlich verhalten; zudem hat er stets auf seinem rechtlich
zutreffenden Standpunkt beharrt, infolge seines Widerspruchs Arbeitnehmer
der Beklagten geblieben zu sein.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2009 - 8 AZR 176/08 –
rechtzeitig Aufwachen
Wiederholtes Zuspätkommen kann Kündigung rechtfertigen
Kommt
ein Arbeitnehmer wiederholt in erheblichem Umfang zu spät zur Arbeit, so
kann dies jedenfalls dann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen,
wenn eine Ermahnung und zwei Abmahnungen erfolglos geblieben sind.
Voraussetzung für eine Kündigung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer das
Zuspätkommen zu vertreten hat. Hiervon ist jedoch bei einem mehrfachen
Verschlafen regelmäßig auszugehen.“
So das
LAG Köln im Urteil v. 20.10.2008, 5 Sa 746/08
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BETRIEBSRAT - NEUES IM ARBEITSRECHT
Nr.
01 / 2009
►
Weihnachtsgeld – trotz BV-Kündigung
„freiwillig“ schützt den Arbeitgeber nicht
►
Wer zu früh kommt …. kann
trotzdem Glück haben – Abfindung
bei Eigenkündigung?
►
Gleichbehandlung bei Lohnerhöhung
über
alle Betriebe – auch wenn Überstunden verweigert
wurden
►
politische Äußerungen des BR
zulässig
Beispiel: Irak-Krieg
Weihnachtsgeld – trotz
BV-Kündigung
Arbeitgeber können auch bei Kündigung der entsprechenden
Betriebsvereinbarung zur Zahlung von Weihnachtsgeld verpflichtet sein
Eine
Betriebsvereinbarung, in der sich der nicht tarifgebundene Arbeitgeber zur
Zahlung eines Weihnachtsgelds verpflichtet hat, wirkt nach ihrer Kündigung
gemäß § 77 Abs.6 BetrVG nach, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt
wird. Dies hat das Bundesarbeitsgericht jetzt ausdrücklich für
nicht-tarifgebundene Arbeitgeber festgestellt.
Der
Fall: Die Klägerin ist seit 1994 in einem Senioren- und Pflegezentrum
beschäftigt. Sie erhielt seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ein
Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Rechtsgrundlage hierfür war eine
Betriebsvereinbarung. Diese kündigte die Beklagte fristgerecht zum
31.12.2001. Nachdem die anschließenden Verhandlungen mit der Gewerkschaft
ver.di über einen Haustarifvertrag im Herbst 2005 gescheitert waren, stellte
die Beklagte die Weihnachtsgeld-Zahlungen ein.
Mit
ihrer Klage verlangte die Klägerin die Zahlung des Weihnachtsgelds für das
Jahr 2005. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage
abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hob das BAG diese Entscheidungen
auf und gab der der Klage statt.
Das BAG
hierzu:
„Da nicht tarifgebundene Arbeitgeber mitbestimmungsrechtlich die gesamte
Vergütung "freiwillig" leisten, führt der Wegfall des Weihnachtsgelds zu
einer mitbestimmungspflichtigen Änderung der Entlohnungsgrundsätze, so dass
§ 77 Abs.6 BetrVG einschlägig ist.
Zwar ist
die Betriebsvereinbarung, die Rechtsgrundlage der Zahlung war, wirksam
gekündigt. Die Betriebsvereinbarung wirkt aber nach. Die Nachwirkung gemäß §
77 Abs.6 BetrVG betrifft Angelegenheiten, die der zwingenden Mitbestimmung
des Betriebsrats unterfallen. Im Streitfall ergibt sich ein solches
Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG, da die Streichung des
Weihnachtsgelds zur Änderung der Entlohnungsgrundsätze im Betrieb geführt
hat.
Bei jeder Streichung BR-Beteiligung
Während § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG bei tarifgebundenen Arbeitgebern -
wegen des Tarifvorrangs – nur hinsichtlich des freiwillig geleisteten
übertariflichen Teils der Vergütung Anwendung findet, leistet ein nicht
tarifgebundener Arbeitgeber sämtliche Vergütungsbestandteile "freiwillig",
solange er die Arbeit überhaupt vergütet, und kann daher bei jeder
Streichung eines Vergütungsbestandteils zur Beteiligung seines Betriebsrats
verpflichtet sein.
Im
Streitfall war mit der Streichung des Weihnachtsgelds keine gleichmäßige
Absenkung des Vergütungsniveaus verbunden. Dies ergibt sich schon daraus,
dass Teile der Gesamtvergütung nicht mehr als zusätzliche Einmalzahlung zu
einem bestimmten Datum geleistet werden sollten. Daher lag eine
mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsgrundsätze und folglich
auch eine zwingende Angelegenheit der Mitbestimmung im Sinn von § 77 Abs.6
BetrVG vor. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiterhin einen Anspruch auf
Zahlung von Weihnachtsgeld.
(BAG v.
26.08.2008 - 1 AZR 354/07)
Merke:
Es ist ein Rechenexempel festzustellen, dass hier die Summe der
Einzelvergütungen (einschl. Weihnachtsgeld) bei Streichung des
Weihnachtsgeldes nicht mehr „im selben Verhältnis“ wie früher gezahlt
werden. Hätte der Arbeitgeber einheitlich z.B. 7 % der Gesamtvergütung bei
allen gestrichen, wäre es allerdings wohl „ausgewogen im Sinne der
Rechtsprechung“.
Wer zu früh kommt …. kann
trotzdem Glück haben
Abfindung bei „vorzeitiger“ Eigenkündigung?
Ob eine
„Eigenkündigung“ eine Abfindung auslösen kann, ist seit Jahren umstritten.
Wer aber selbst kündigt, ohne dass im Sozialplan Klarheit über eine evtl.
Abfindung besteht, geht ein hohes Risiko.
Das BAG
hatte jetzt folgenden Fall zu entscheiden:
Arbeitsplätze des Betriebes waren in einen anderen Betrieb des Arbeitgebers
verlagert worden. Wer nicht mitgehen wollte, musste mit einer
betriebsbedingten Kündigung rechnen. Ein Arbeitnehmer sah die Entfernung
nicht als zumutbar an und kündigte sein Arbeitsverhältnis, weil er eine
anderweitige Beschäftigung antreten konnte.
Abfindungen waren im Sozialplan nur für betriebsbedingte Kündigungen oder
durch den Arbeitgeber veranlasste Aufhebungsvereinbarungen vorgesehen. Der
Arbeitgeber zahlte dem Arbeitnehmer also keine Abfindung.
Betriebliche Veranlassung reicht
Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten des Klägers. Begründung: Die
(Eigen-)Kündigung war auf jeden Fall betrieblich veranlasst.
(BAG v.
20.05.2008 – 1 AZR 203/07)
betriebsübergreifende
Gleichbehandlung bei Lohnerhöhung
„Der
arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde
Schlechterstellung von Arbeitnehmern gegenüber anderen Arbeitnehmern in
vergleichbarer Lage.“
Das hat
das BAG in einem Fall unterschiedlicher Lohnerhöhungen in verschiedenen
Niederlassungen entschieden.
Gebot der Gleichbehandlung
Zitat: „Im Bereich der Vergütung greift das Gebot der
Gleichbehandlung ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund einer
generellen Regelung gewährt. Ist die Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf
einen einzelnen Betrieb beschränkt, sondern bezieht sie sich auf alle oder
mehrere Betriebe seines Unternehmens, ist auch die Gleichbehandlung der
Arbeitnehmer betriebsübergreifend zu gewährleisten. Eine unterschiedliche
Behandlung der einzelnen Betriebe setzt voraus, dass es hierfür sachliche
Gründe gibt.“
In dem
Fall ging es um ein Logistik- und Paketdienstleistungsunternehmen mit
bundesweit ca. 15.000 Arbeitnehmer in zahlreichen Niederlassungen. Der
Kläger war im Betrieb G. als Zusteller tätig. Zum 1. September 2005 erhöhte
die Beklagte freiwillig die Vergütung ihrer Arbeitnehmer um 2,1 Prozent. In
sechs Betrieben wandte sie einen anderen Erhöhungssatz an, die Mitarbeiter
in G. erhielten – als Einzige - überhaupt keine Erhöhung. Die Beklagte hat
hierfür geltend gemacht,
- die
Löhne im Betrieb G. lägen deutlich über denen der anderen Niederlassungen in
Hessen,
- die
Kosten je befördertem Paket seien in G. am höchsten und
- die
flexible Mehrarbeit werde durch die betrieblichen Regelungen in G. nicht
ausreichend zugelassen.
Der
Kläger verlangt nun die Lohnerhöhung von 2,1 %. Das Landesarbeitsgericht hat
die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe eine sachgerechte
Gruppenbildung vorgenommen. Dem ist der Fünfte Senat des
Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt. Zwar kann ein unterschiedliches
Ausgangsniveau der Löhne ebenso wie der unterschiedliche
betriebswirtschaftliche Erfolg der Betriebe und eine höhere
Leistungsanforderung in einzelnen Betrieben eine unterschiedliche Behandlung
bei Lohnerhöhungen rechtfertigen. Hierfür hätte es aber eines
unternehmensweiten Vergleichs aller Betriebe der Beklagten - unter
Einbeziehung der Gründe für die bestehenden Unterschiede - bedurft. Auf
etwaige Regelungen in anderen Betrieben, die das Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats bei der Anordnung von Überstunden unzulässig beschränken, kann
sich die Beklagte nicht berufen. Der Senat hat deshalb das Urteil des
Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren
Aufklärung der Sachgründe an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 5 AZR 74/08 -)
politische Äußerungen des
BR zulässig
Betriebsrat muss nicht jede politische Äußerung unterlassen
Arbeitgeber und Betriebsrat müssen gemäß § 74 Abs.2 S.2 BetrVG zwar
grundsätzlich jede parteipolitische Betätigung im Betrieb unterlassen.
Hieraus folgt aber nicht, dass der Betriebsrat sich überhaupt nicht
politisch äußern darf. Unzulässig ist nur die Betätigung für oder gegen eine
bestimmte politische Partei oder politische Richtung. Dem Betriebsrat kann
daher eine Äußerung zu Themen, die in Deutschland parteipolitisch nicht
gebunden sind (hier: Irak-Krieg), regelmäßig nicht untersagt werden.
Der
Fall: Der Arbeitgeber gehört zu einem Konzern mit amerikanischer Mutter. Der
Konzern stellt Rüstungsgüter her, die unter anderem im Irak-Krieg zum
Einsatz kamen.
Der
Betriebsrat veröffentlichte im April 2003 einen Aufruf, mit dem er die
Arbeitnehmer aufforderte, eine Aktion des Europäischen Betriebsrats gegen
den Irak-Krieg zu unterstützen. Im Oktober 2007 informierte der Betriebsrat
die Belegschaft über einen Volksentscheid in der Stadt H., mit dem eine
Volksabstimmung eingeführt werden sollte. Gleichzeitig forderte er die
Arbeitnehmer auf, sich an diesem Volksentscheid zu beteiligen. Der
Volksentscheid war parteipolitisch umstritten. Insbesondere die örtliche CDU
war gegen diesen Volksentscheid.
Das
Gericht: Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass der Betriebsrat sich
nicht zu Themen wie dem Irak-Krieg äußert. Der Betriebsrat muss allerdings
einen Aufruf zur Beteiligung an einem Volksentscheid unterlassen.
nur parteipolitische Äußerung verboten
Nach § 74 Abs.2 S.2 BetrVG müssen Arbeitgeber und Betriebsrat
grundsätzlich parteipolitische Betätigungen unterlassen. Unter
"parteipolitisch" ist jede Betätigung für oder gegen eine Partei zu
verstehen. Verboten ist darüber hinaus auch das Eintreten für oder gegen
eine bestimmte politische Richtung. Allerdings ist die Behandlung von
Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und
wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar
betreffen, gemäß § 74 Abs.2 S.2 2.Hs. BetrVG vom Verbot parteipolitischer
Betätigung ausgenommen.
Nach
diesen Grundsätzen handelte es sich bei den Äußerungen des Betriebsrats zum
Irak-Krieg nicht um eine parteipolitische Betätigung im Sinn von § 74 Abs.2
S.2 BetrVG. Es fehlt an einem Bezug zur deutschen Politik, da die Meinungen
in Deutschland zum Irak-Krieg nicht parteipolitisch gebunden waren. Im
Übrigen handelte es sich hierbei auch um eine wirtschaftliche Angelegenheit,
die die Arbeitnehmer unmittelbar betraf. Da der Arbeitgeber Teil eines
amerikanischen Konzern ist, der auch für den Irak-Krieg Rüstungsgüter
hergestellt hat, durfte der Betriebsrat die ethische Frage aufwerfen, ob man
mit der eigenen Arbeit den Krieg unterstützen solle.
Bei dem
Aufruf des Betriebsrats zur Beteiligung an dem Volksentscheid handelte es
sich allerdings um eine unzulässige parteipolitische Aktivität.
-
Rechtsbeschwerde beim BAG zugelassen –
(LAG
Schleswig-Holstein v. 30.09.2008
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