Fachanwalt zu sein heißt, sich ständig fortbilden. Selbstverständlich erfüllen wir diesen Anspruch, auch über das Übliche hinaus.

 

 

 

 

 

 

 

 

Für Betriebsräte führen wir anerkannte Seminare im Betriebsverfassungsrecht und Arbeitsrecht durch.
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Newsletterarchiv

 

BETRIEBSRAT NEUES IM ARBEITSRECHT   Nr. 05 / 2010

 Allein erziehendes BR-Mitglied ... wohin mit dem Kind?

       BAG erkennt Kostenerstattung an

 Kündigung weil zu alt? - Arbeitgeber darf Ältere nicht benachteiligen

  E-Mail-Adresse für jedes BR-Mitglied ... eigentlich doch längst selbstverständlich

 Deo-pflicht am Arbeitsplatz - ohne geht's nimmer

                         

 neu im Programm

Seminar „Aktuelles Arbeitsrecht und Handlungstraining"

Neueste Rechtsprechung für den Betriebsrat und deren Umsetzung in der Praxis - geeignet für neu gewählte und langjährige BR-Mitglieder.

Referenten: Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Holger Schnoor, Kommunikationstrainer

Mo. - Mi., 29. Nov. - 01. Dez. 2010 im Hotel Hafen Hamburg

Info und Anmeldung kanzlei@steenrae.de

Alleinerziehendes BR-Mitglied ... wohin mit dem Kind?

 Der Arbeitgeber muss im erforderlichen Umfang die Kosten erstatten, die einem alleinerziehenden Betriebsratsmitglied während einer mehrtägigen auswärtigen Betriebsratstätigkeit durch die Fremdbetreuung seiner minderjährigen Kinder entstehen.

Der Fall:  Die alleinerziehende Klägerin hatten von ihrem Arbeitgeber die Erstattung der Kosten verlangte, die ihr dadurch entstanden waren, dass sie als Betriebsratsmitglied zur Teilnahme an zwei Sitzungen des Gesamtbetriebsrats und an einer Betriebsräteversammlung insgesamt zehn Tage ortsabwesend war und während dieser Zeit für die Betreuung ihrer 11 und 12 Jahre alten Kinder fremde Hilfe in Anspruch nehmen musste.

 Das Bundesarbeitsgericht hat  - anders als zuvor das LAG - dem Antrag entsprochen.

 In der Begründung heißt es: Nach § 40 Abs. 1 BetrVG  trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Dazu gehören auch die Aufwendungen, die einzelne Betriebsratsmitglieder zur Erfüllung ihrer Betriebsratsaufgaben für erforderlich halten dürfen, nicht aber sämtliche Kosten, die nur irgendwie durch die Betriebsratstätigkeit veranlasst sind. Grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind insbesondere Aufwendungen, die der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind.

 Vom Arbeitgeber zu tragen sind aber Kosten, die einem Betriebsratsmitglied dadurch entstehen, dass es die Betreuung seiner minderjährigen Kinder für Zeiten sicherstellen muss, in denen es außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen hat. Das ergibt die verfassungskonforme Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG. Das Betriebsratsmitglied befindet sich in einem solchen Fall in einer Pflichtenkollision zwischen seinen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und der Pflicht zur elterlichen Personensorge.

Auch das Grundgesetz wirkt:
Nach Art. 6 Abs. 2 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur "das natürliche Recht der Eltern", sondern auch „die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. Dementsprechend darf dem Betriebsratsmitglied durch die gleichzeitige Erfüllung beider Pflichten kein Vermögensopfer entstehen.

Dem Anspruch stand nicht entgegen, dass in dem Haushalt des Betriebsratsmitglieds noch eine volljährige berufstätige Tochter lebte, welche die Betreuung ihrer jüngeren Geschwister abgelehnt hatte. Die Antragstellerin durfte die entstandenen Betreuungskosten von insgesamt 600,-- Euro auch der Höhe nach für erforderlich halten.

BAG, Beschluss vom 23.06.2010 - 7 ABR 103/08

 

Kündigung weil zu alt?    

 Ein Arbeitgeber darf bei der Sozialauswahl nicht einseitig die Gruppe älterer Arbeitnehmer benachteiligen. In einem Fall, der vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschieden wurde, hatte der Insolvenzverwalter eines Gartenbaubetriebes 2 Beschäftigten mit der Begründung gekündigt, die verbleibenden Gartenhelfer müssten “körperlich voll einsatzfähig sein, um eine größtmögliche Flexibilität zu gewährleisten”. Außerdem sei der Betrieb total überaltert.

Der Insolvenzverwalter bildete aus den insgesamt acht Arbeitnehmer zwei Altersgruppen: je 4 Beschäftigte zwischen 40 bis 49 sowie 50 bis 59 und kündigte zwei Helfern aus der Gruppe der über 50jährigen.

 Das LAG gab dem Kläger Recht.

Zusammensetzung Altersgruppen muss bleiben.
 In der Begründung heißt es: Es sei zwar möglich, Altersgruppen nach 10er Schritten zu bilden. Jedoch muss die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen auch bei den Kündigungen eingehalten werden. In beiden Gruppen hätte also je einem Arbeitnehmer gekündigt werden müssen.

Schließlich erteilte das Gericht auch dem Argument eine Absage, die Beschäftigten in der Gruppe von 40 bis 49 seien als “Leistungsträger” anzusehen. Nur die Behauptung, diese könnten  “Arbeiten allein abwickeln und ohne entsprechende Anweisungen von Vorarbeitern, Gestaltungs- und Pflegearbeiten ausführen” reiche nicht aus.

 Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.03.2010 - 10 Sa 581/09

 

E-Mail-Adresse für jedes BR-Mitglied    

 Jedes BR-Mitglied hat Anspruch auf eigene E-Mail-Adresse. Dies hat jetzt das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 14. Juli 2010 klargestellt. Das heißt also zum Beispiel:

                         “br-mueller@firma.de”

muss der Arbeitgeber einrichten, damit die Mitglieder des Betriebsrates untereinander kommunizieren können. Ebenso kann für jedes BR-Mitglied die Einrichtung eines eigenen Internetzugangs verlangt werden. Das BAG betont hier, der BR habe einen eigenen Beurteilungsspielraum, was er für seine Arbeit als “erforderlich” ansieht. Das gelte auch für den Internet-Zugang.

Auch Kommunikation mit Dritten
Das Gericht: “Ebenso wie die Informationsbeschaffung kann die Kommunikation einzelner Betriebsratsmitglieder mit nicht zum Betrieb gehörenden Dritten Teil der Betriebsratstätigkeit sein.” Natürlich stehen auch Kosteninteressen des Arbeitgebers nicht entgegen

Das LAG Düsseldorf war übrigens zuvor anderer Meinung. Der Betriebsrat hat hier hartnäckig sein Recht bis zum BAG weiterverfolgt. Verwunderlich ist allerdings, warum sich hier der Arbeitgeber überhaupt quer gestellt hat. Die Nutzung moderner Kommunikationsmittel ist wahrlich eine Selbstverständlichkeit.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 7 ABR 80/08

  

Deopflicht am Arbeitsplatz

 "Sommerloch und Sommerhitze - anders kann man den Vorschlag kaum rational erklären. Der Unternehmerverband für die mittelständische Wirtschaft (schon mal gehört?) hat die Deopflicht an Schlands Arbeitsplätzen ausgerufen. Der Vorschlag ist offenkundig inspiriert durch die in den Medien vielbeachtete Kündigung eines angeblich verschwitzten Kölner Architekten durch seine olfaktorisch empfindsame Vorgesetzte während der vogelfreien Wartezeit (landläufig Probezeit).

 Erst die Sommerhitze und das WM-Ende brachte den an Originalität kaum zu überbietenden Vorschlag der sehr gepflegt und frisch deodoriert dreinschauenden Verbandschefin (sie nutzt immerhin klimaschützende Deoroller) in die Schlagzeilen. Um dem Vorschlag noch eine Spitze aufzusetzen, fordert sie die Abmahnung aller Andersdenkendem bzw. -riechenden.

Arbeitsrechtlicher Unsinn, da werden sich alle Arbeitsrechtler einig sein. Das arbeitgeberseitige Direktionsrechts reicht allerdings nicht bis in die Achselhöhlen …

 Den Allergikern und Natürlichriechenden stinkt die Idee daher zu Recht. Gegen Lärm kann man Kopfhörer aufsetzen, gegen Unsinn die Ohren zuhalten oder den Artikel einfach nicht zu Ende lesen, auch gegen Hitze kann man sich schützen.

Gegen Deos hilft kein Luftanhalten. Deos sind eine Zwangsbeglückung Dritter, pure Chemie und übertünchen im übrigen nur, beseitigen aber keinen Körpergeruch. Und Duft ist eine Geschmackssache.

Was der eine als aufregend empfindet, riecht für jemand anders einfach nur penetrant. Einige Deos erinnern gar geruchlich an die grünen Steine, mit denen man keramische Einrichtungen geruchsfrei hält. Beim Deo ist es häufig auch in anderer Hinsicht ähnlich: Mancher glaubt, sich damit die Körperpflege ersparen zu können. Diese Mischung riecht dann besonders lecker.

Der Vorschlag ist daher nicht nur wirr und halbgar. Eine Allergikerin hat bereits Strafanzeige erstattet. Dabei wird die Intelligenz der Zeitungsleser unterschätzt. Ich bin sicher, dass die Drogeriemärkte durch das Interview nicht ins Schwitzen gekommen sind. Da ist noch wahrscheinlicher, dass Deos am Arbeitsplatz verboten werden. Wegen der Explosionsgefahr."

Gastkommentar. Michael W. Felser Rechtsanwalt

     

NewsLetter

Dieser NewsLetter BETRIEBSRAT erscheint regelmäßig und wird per E-Mail kostenlos an alle Interessenten versandt, die sich angemeldet haben. Wir berichten darin über aktuelle Änderungen im Arbeitsrecht und Urteile der Arbeitsgerichte, die für die BR-Arbeit wichtig sein können.

Sie können sich für den NewsLetter anmelden auf unserer Internetseite www.steenrae.de oder per E-Mail unter kanzlei@steenrae.de.

 

         

BETRIEBSRAT NEUES IM ARBEITSRECHT    Nr.04 / 2010

 

Mitbestimmung auch bei dringender Versetzung    

Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts

rentennahe Jahrgänge in Kurzarbeit Null?

Diskriminierung wegen Alter

Der Fall "Emmely"

BAG gibt überraschend (?) der Klägerin Recht

 

Seminare: Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR wissen muss – mit Auslaufparade „Queen Mary 2“  Mo. + Di., 16. + 17. Aug. 2010 Anmeldung als pdf 

"Datenschutz in der Praxis" - Grundlagen für die BR-Arbeit;  Di./Mi., 15. + 16. Sep. 2010 - neue gesetzliche Grundlagen, Internet- und Email-Nutzung, Umgang mit SAP / HR und HCM - Info und Anfrage unter  kanzlei@steenrae.de

Seminar für die SBV

„Schwerbehindertenvertretung -neu gewählt" Grundlagen der Arbeit, Möglichkeiten der Einflussnahme - Do. – Fr. 02. – 03. Dez. 2010 im Hotel Hafen Hamburg

     

 Mitbestimmung auch bei dringender Versetzung     

 Betriebsrat muss auch bei dringender Versetzung mitbestimmen

"Auch wenn ein Arbeitnehmer auf eine andere Tätigkeit im Betrieb drängt, darf der Betriebsrat nicht übergangen werden." Darauf weist das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil hin.

Der Fall: Der Mitarbeiter des betreffenden Finanzdienstleisters war in einer Filiale für die sog. Masterkasse zuständig. Weil er sich nach eigenem Bekunden mit dieser Aufgabe auf Dauer überfordert fühlte, beschloss das Unternehmen, den Mann anderweitig einzusetzen.

Obwohl diese Maßnahme in der nächsten turnusmäßigen Betriebsratssitzung nicht mehr behandelt werden konnte, wurde sie kurzfristig umgesetzt. Das Unternehmen begründete diesen Schritt damit, dass es sich um einen Notfall gehandelt habe. Der Betriebsrat hätte deshalb nicht beteiligt werden müssen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Antrag des Betriebsrats auf Unterlassung der Maßnahme statt.
Mitbestimmung im Eilfall nicht ausgeschlossen

In ihrer Begründung verwiesen die Richter auf die bisherige Rechtsprechung: Demnach könnte zwar in Extremsituationen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Dies sei jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Betriebsrat in einer unvorhersehbaren und schwerwiegenden Situation nicht erreichbar ist oder nicht rechtzeitig einen Beschluss fassen kann. Der Arbeitgeber sei dann auch zum sofortigen Handeln berechtigt, wenn nur so irreparable Schäden von Betrieb oder Belegschaft abgewendet werden können.

Eine solche Ausnahmesituation habe das Unternehmen im vorliegenden Fall aber nicht behauptet.

(BAG, Beschluss vom 19.01.2010 - 1 ABR 55/08)

  

rentennahe Jahrgänge in Kurzarbeit Null?

Einbeziehung aller rentennaher Arbeitnehmer in die Kurzarbeit Null ist diskriminierend

Eine Betriebsvereinbarung, wonach alle Mitarbeiter rentennaher Jahrgänge in die Kurzarbeit Null einbezogen werden sollen, stellt eine nach dem AGG unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar. Hierin liegt auch dann eine Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, wenn den betroffenen Arbeitnehmern über ein sich an das Kurzarbeitergeld anschließendes Transferkurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld ein gleitender Übergang in die (vorgezogene) Altersrente ermöglicht werden soll.

Der Fall: Der 1946 geborene Kläger war seit 1976 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie, als Maschinenarbeiter beschäftigt.

Aufgrund der Wirtschaftskrise und einem damit einhergehenden Umsatzeinbruch sah sich die Beklagte ab Ende 2008 gezwungen, trotz einer tariflichen Beschäftigungsgarantie personelle Maßnahmen einzuleiten. Sie schloss daher mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit Null, die mit der Agentur für Arbeit vorbesprochen worden war. Danach sollte Kurzarbeit Null für alle Arbeitnehmer des Betriebs L eingeführt werden, die 59 Jahre oder älter waren. Konkret war das Modell "18 + 12 + 24" beabsichtigt:

           Die betroffenen Arbeitnehmer sollten 18 Monate konjunkturelles Kurzarbeitergeld bei Kurzarbeit Null sowie Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers erhalten.

           Sie sollten danach in eine Transfergesellschaft eintreten und zwölf Monate lang Transferkurzarbeitergeld beziehen.

           Hieran sollte sich ein 24-monatiger Bezug von Arbeitslosengeld und sodann ein gleitender Übergang in die (ggf. vorgezogene) Altersrente anschließen.

Die Firma unterbreitet das entsprechende Angebot einschließlich dem anschließenden Übergang in die Transfergesellschaft. Der Kläger widersprach der Anordnung von Kurzarbeit und bot seine Arbeitskraft an. Mit der Klage begehrte er für die Zeit der angeordneten Kurzarbeit Null die Zahlung seiner vollen vertraglichen Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.

Die Gründe: Die Beklagte schuldet dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für den geltend gemachten Zeitraum die eingeklagte Vergütung. Die Arbeitszeit des Klägers ist nicht wirksam auf Null reduziert worden. Unstreitig lag keine einvernehmliche Arbeitszeitreduzierung vor. Die Beklagte konnte im Hinblick auf Mitarbeiter ab dem 59. Lebensjahr nicht wirksam Kurzarbeit Null durch die entsprechende Betriebsvereinbarung einführen.

Die Betriebsparteien hatten für die Betriebsvereinbarung keine Regelungsbefugnis. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG lag nicht vor. Denn hiernach hat der Betriebsrat nur bei vorübergehenden Verkürzungen bzw. Verlängerungen der Arbeitszeit mitzubestimmen, während die Betriebsvereinbarung für rentennahe Arbeitnehmer von vornherein eine dauerhafte Reduzierung der Arbeitszeit auf Null und damit letztlich deren sozialverträgliches Ausscheiden aus dem Betrieb bezweckte.

Betriebsvereinbarung heilt nicht
Selbst wenn man aber ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats annehmen würde, wäre die Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung gem. §§ 7 Abs. 2, 1 AGG unwirksam. Die Benachteiligung rentennaher Arbeitnehmer ist nicht gerechtfertigt. Ziel der Regelung war ein Personalabbau ohne (tarifvertraglich ausgeschlossene) betriebsbedingte Kündigungen, die eigentlich erforderlich gewesen wären. Auf diese Art und Weise wurde der gesetzliche Kündigungsschutz der betroffenen älteren Arbeitnehmer umgangen. Hierin kann kein legitimes Ziel i.S.v. § 10 Satz 1 AGG gesehen werden.

Urteil Arbeitsgericht Stuttgart 12.5.2010, 20 Ca 2326/09

 

Der Fall "Emmely" - wirklich überraschend?

 Unrechtmäßiges Einlösen von Pfandbons rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Der Fall hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Kann ein Arbeitsverhältnis nach 30 Jahren fristlos beendet werden wegen Pfandbons im Wert von € 1,30?

Der Fall: "Emmely", eine 50-jährige Mutter von drei Kindern, war seit mehr als 30 Jahren bei einer Supermarktkette als Kassiererin beschäftigt. Im Januar 2008 hatte der Filialleiter der Klägerin zwei Pfandbons im Wert von 1,30 €, die ein Kunde liegen gelassen hatte, zur Aufbewahrung im Kassenbüro übergeben. Zehn Tage später reichte die Klägerin die Pfandbons bei einem privaten Einkauf ein. In dem Arbeitsverhältnis war es vorher nicht zu rechtlich relevanten Störungen gekommen.

Grundsätzlich hat auch das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers auch bei einem geringen wirtschaftlichen Schaden eine fristlose Kündigung rechtfertigen können (sog. Bagatell-Kündigung). Maßgeblich sind aber immer die konkreten Umstände des Einzelfalls, die im Rahmen einer umfangreichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.
Interessenabwägung ist zu berücksichtigen
Diese Interessenabwägung fällt im Fall "Emmely" zugunsten der Klägerin aus. Deren Prozessverhalten (Bestreiten des Vorwurfs und Verdächtigung anderer Mitarbeiter) war nicht zu ihren Lasten zu berücksichtigen.

Weil es bei diesen Kündigung immer um den Vertrauensbereich geht, kommt es auf Folgendes an:

           das Maß der Beschädigung des Vertrauens,

           das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen,

           das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene "Vertrauenskapital"

           und die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes.

Milderes Mittel
Eine sofortige Auflösung (fristlos) ist also nicht automatisch die richtige Reaktion. Als milderes Mittel kommt immer zuerst die Abmahnung in Frage.

Zum Hintergrund. Eigentlich sollte es in dem Revisionsverfahren nur um die – bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Frage – gehen, ob das Prozessverhalten eines außerordentlich gekündigten Arbeitnehmers im Rahmen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Dies ist problematisch, da ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich. unzulässig ist.

Die Gerichtssprecherin und Richterin am Bundesarbeitsgericht Inken Gallner stellte noch einmal klar, dass auch schon bislang ein Bagatelldelikt nicht automatisch zu einer wirksamen Kündigung geführt habe. Mit dieser differenzierten Sicht sei man jedoch insbesondere in der Wirtschaftskrise nicht in der Gesellschaft durchgedrungen.

(BAG Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09)

                 

 BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT   Nr. 03 / 2010

 

Widerruf von Arbeitgeberleistungen - aus wirtschaftlichen Gründen?    

Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts

 Eingliederungsmanagement oder Kündigung

 BAG stellt Arbeitgeberpflichten klar

  Maulkorb im Arbeitsvertrag?

Landesarbeitsgericht wird deutlich

  Fußball-WM am Arbeitsplatz - tratschen wir zuviel?

 Betriebsversammlung - muss Arbeitgeber Partyservice zahlen?

 

Widerruf von Arbeitgeberleistungen - aus wirtschaftlichen Gründen?    

Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts

Die Krise bringt es an den Tag. Leistungen des Arbeitgebers werden plötzlich in Frage gestellt - argumentiert wird u.a. damit, Sozialleistungen könnten aus "wirtschaftlichen Gründen" nicht mehr aufrecht erhalten werden oder insgesamt auf die Prüfstand gestellt. Schwierig wird das Ganze, wenn gleichzeitig individuelle Zusagen - im Arbeitsvertrag oder anderer Form - gemacht wurden, von denen sich der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres verabschieden kann.

Ein solches Beispiel hat jetzt das Bundesarbeitsgericht beschäftigt und es ging vorrangig um die Frage: Was sind "wirtschaftliche Gründe"? Und musste der Arbeitnehmer diese Einschränkung akzeptieren.

Widerrufsvorbehalt ausreichend?
Das BAG hat in dem Fall untersucht, ob ein solcher Widerrufsvorbehalt - hier sehr pauschal ausgedrückt - überhaupt zulässig sein kann. Die Antwort folgt aus

   a) Verbrauchersicht (der Arbeitnehmer ist Verbraucher) und

   b) zum Schutz vor unangemessenen Klauseln im Arbeitsvertrag.

 Der Fall:  Die Mitarbeiterin hatte einen Dienstwagen zur Verfügung und in den Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers hieß es, die Überlassung könne "aus wirtschaftlichen Gründen" widerrufen werden. Die Mitarbeiterin ging davon aus, dass sie jedes Jahr 49.500 km mit dem Firmen-PKW fahren würde. Tatsächlich fuhr sie im Jahre 2006 nur 29.450 km. Dies hielt die Arbeitgeberin für unwirtschaftlich und widerrief die Überlassung des Fahrzeugs. Hiergegen klage die Arbeitnehmerin. 

Im Ergebnis stellte das Gericht fest, der Arbeitgeber dürfe den Firmen-PKW nicht aus "wirtschaftlichen Gründen" entziehen. Eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sei unwirksam. Das Gericht sah hier einen Verstoß wegen unangemessener Benachteiligung der Arbeitnehmerin. Sie habe nicht erkennen können, was die genannten "wirtschaftlichen Gründe" sind. Der Verbraucher hätte aber erkennen müssen, was auf ihn zukommt, um sich darauf einstellen zu können. Das habe die Klausel nicht hinreichend ausgedrückt.

Anmerkung: Bisher hatte das BAG nur entschieden, dass ein Widerruf aus "beliebigen Gründen" natürlich unwirksam ist. Jetzt ging es um eine bestimmte (durchaus übliche) Klausel, die gleichfalls nicht anerkannt wurde.

Für Betriebsräte ist diese Sicht deshalb wichtig, weil sie zeigt, dass die einzelnen Arbeitnehmer durchaus weitergehende Möglichkeiten haben,

(Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 13.04.2010 - 9 AZR 113/09)

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Eingliederungsmanagement oder krankheitsbedingte Kündigung

Schon seit 2004 haben Unternehmen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Entscheidend ist diese Verpflichtung gerade dann, wenn anderenfalls eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden soll. Ob also gekündigt werden kann, auch wenn das BEM nicht durchgeführt wurde, beschäftigt zunehmend die Gerichte. In einem Fall, der jetzt dem Bundesarbeitsgericht vorlag, machte das Gericht die Verteilung der Pflichten noch einmal deutlich. Hat der Arbeitgeber kein Verfahren eingeführt, genügt also nicht den Mindestanforderungen aus § 84 SGB IX (z.B. die Beteiligung externer Stellen und Ämter), kann er sich nicht pauschal darauf berufen, andere Arbeitsplätze, die das Krankheitsbild berücksichtigen, kämen nicht in Frage.

Einbindung externer Stellen
Wie wichtig jeweils die Einbindung externer Stellen ist, zeigt ein anderer Aspekt der Entscheidung. In dem Fall hatte die Klägerin eine von der Betriebsärztin empfohlene Reha-Maßnahme u.a. wegen Schwierigkeiten der zwischenzeitlichen Kinderunterbringung abgelehnt. Hier meinte allerdings das Gericht, diese Haltung könne noch nicht zur Rechtfertigung einer Kündigung führen. Vielmehr hätte die Klägerin - mit Fristsetzung und Kündigungsandrohung - aufgefordert werden müssen, eine solche Reha-Maßnahme auch durchzuführen (BAG v. 10.12.2009 - 2 AZR 400/08).

Die Entscheidung macht Zweierlei deutlich: Ein BEM hat bestimmten Mindestanforderungen zu genügen - nur “Krankenrückkehrgespräche” sind dafür ungeeignet. Auf die Beteiligung Externer, wie Betriebsarzt, Reha-Träger etc. ist großer Wert zu legen und deren Empfehlungen sind Ernst zu nehmen.

  

Maulkorb im Arbeitsvertrag - Schweigepflicht über Gehaltshöhe?

Nein, auch wenn der Arbeitsvertrag es verbietet, man darf über sein Gehalt auch mit Kollegen reden - allerdings fehlte bisher ein Beleg für unsere Meinung aus der höheren arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Die in fast jedem zweiten Arbeitsvertrag zu findende Klausel, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, über die Höhe seines Gehalts Stillschweigen zu bewahren, ist rechtswidrig, bestätigte nun das Landesarbeitsgericht in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Arbeitnehmer hatte gegen eine Abmahnung geklagt, die er bekommen hatte, weil er gegen die Verschwiegenheitspflicht wegen des Gehalts verstoßen hatte. Besser und knackiger als das Landesarbeitsgericht MV (Urteil vom 21.10.2009 - 2 Sa 183/09) kann man nicht erklären, warum eine derartige Klausel offensichtlich unwirksam ist:

“Die Klausel in § 4 Nr. 4 des Anstellungsvertrages, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln und auch gegenüber anderen Firmenangehörigen Stillschweigen darüber zu bewahren, ist unwirksam. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 BGB dar."

Gespräch untereinander
Die Begründung des Gerichts leuchtet ein: Da der Arbeitgeber dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet ist, können die Arbeitnehmer nur durch ein Gespräch untereinander feststellen, ob dieser auch bei der Lohn.- und Gehaltshöhe beachtet wird. Deshalb muss jeder Arbeitnehmer auch bereit ist, über seine eigene Lohngestaltung Auskunft zu geben. Könnte man ihm derartige Gespräche wirksam verbieten, hätte der Arbeitnehmer kein erfolgversprechendes Mittel, Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Lohngestaltung gerichtlich geltend zu machen.

Die Gegenargumente stammen übrigens aus den 50er Jahren und sehen den "Betriebsfrieden" gefährdet, wenn offen über die Gehälter geplaudert wird. Das Argument widerspricht sich allerdings selbst: Wenn (nachvollziehbare) Unterschiede gemacht werden, wird es auch den Betriebsfrieden nicht gefährden. Das Vorhandensein einer solchen Klausel im Arbeitsvertrag dürfte den Betriebsfrieden im übrigen mehr gefährden: Denn als Arbeitnehmer fragt man sich, was es denn zu verbergen gibt.

 

  "Jetzt richtig starten"

                – Seminar für das BR-Gremium

-  Welchen Nutzen hat Projektarbeit - Welche Ziele und Aufgaben haben Priorität - Wie können wir agieren statt zu reagieren - Austausch der BR-Mitglieder organisieren - Sitzungen moderieren und strukturieren - Motivation aller BR-Mitglieder

Referenten: Holger Schnoor, Kommunikationstrainer und ehem. BR Versicherungswirtschaft,

Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Das Seminar wird in der Regel zweitägig als Inhouse-Seminar (oder in einem nahe gelegenen Hotel) durchgeführt. Sprechen Sie uns an, damit wir ein konkretes Angebot vorbereiten       kanzlei@steenrae.de

 

WM am Arbeitsplatz - Tratschen wir zu viel?       

 Studie über die WM 2006 ist entlarvend

Einer wissenschaftlichen Studie des Lehrstuhls für Marketing der Uni Hohenheim zufolge sollen deutsche Arbeitnehmer durch die Fussball-Weltmeisterschaft im Mittel ein Viertelstündchen von der Arbeit abgehalten worden sein. Mitarbeiter würden danach gerne die Ergebnisse diskutieren und die besten Szenen Revue passieren lassen. Die vergeudete Arbeitszeit entspricht 0,2 % des BSP (Bruttosozialproduktes). Diese Arbeitszeit werde auch nicht nachgeholt.

Soso. Wie man hört, soll es in Betrieben auch vorkommen, dass über Kinder, das Wetter usw. usw. getratscht wird. Da hilft morgens beim Reinkommen sofort nur ein Pflaster auf den Mund oder Einzelbürohaft. Die Folgen betrieblicher Großzügigkeit sind dramatisch: Die Studie schätzt den Produktionsverlust jährlich auf 0,4 % des Bruttoinlandproduktes. Klar ist aber, dass die Bundesregierung ja schon über jedes halbe Prozent Wachstum glücklich ist.

Allerdings meldet sich bei den Wissenschaftlern wegen des Petzens auch sofort das schlechte Gewissen: Man müsse dagegen die 4,7 Milliarden Euro rechnen, mit denen die WM Fans während der Weltmeisterschaft den Konsum anheizen. Gut, dass wir die WM haben, leider nur alle vier Jahre .....

Übrigens: Lesenswert der Artikel "Achtung Abseitsfalle" des Kollegen Felser in der AiB Heft 4 aus 2006 - alles zum Arbeitsrecht während der WM

 

Betriebsversammlung - Arbeitgeber muss Partyservice zahlen

“Arbeitgeber muss Partyservice zahlen”. Diese Aufsehen erregende Nachricht geistert zur Zeit durch die Blätter. Was war geschehen? Ein Betriebsrat hatte für eine Betriebsversammlung die Idee, Stehtische aufzustellen. Es sollte eine andere Diskussionskultur versucht werden. So weit so gut, aber offensichtlich hatte der Arbeitgeber damit nichts am Hut. Schon wurde ein Party- und Zeltservice beauftragt (… und so kommt dann die Nachricht vom “Partyservice” zustande), der insgesamt 8 Tische für EUR 232,05 aufstellte. Der Streit ging natürlich vor das Arbeitsgericht und schließlich zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. Dort stellte das Gericht sogar ohne mündliche Verhandlung klar:

notwendige Kosten nach § 40 BetrVG
"Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsversammlung gehört zur notwendigen Betriebsratstätigkeit im Sinne des § 40 BetrVG. Erforderliche Kosten, die bei der Vorbereitung und der Durchführung der Betriebsversammlung entstehen, fallen dem Arbeitgeber zur Last” (Beschl. v. 23.03.2010 - 3 TaBV 48/09).

Allerdings meinte das Gericht auch, der Betriebsrat habe hier seinen Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum bis zur “äußersten Grenze ausgeschöpft, jedoch noch nicht überschritten.”

Völlig zu Recht hebt das LAG dann noch darauf ab, dass die inhaltliche Gestaltung der Betriebsversammlung alleine dem Betriebsrat obliegt. “Diese Gestaltungszuständigkeit deckt (gerade) auch noch ein Konzept ab, mittels stehender Gruppenarbeit die teilnehmenden Arbeitnehmer zu veranlassen, die betrieblichen Probleme selbst zu “artikulieren”, d.h. klar anzusprechen.” Also - haarscharf gewonnen, kann man da nur sagen.

Aber das Konzept ist doch überzeugend.

          

NewsLetter

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     BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT   Nr. 02 / 2010

 Kritische Äußerungen - ein Kündigungsgrund?    

LAG Ba-Wü betont freie Meinungsäußerung

  Zusatzurlaub für Schwerbehinderte  - verfällt bei Krankheit nicht

 Die März-Sonne genießen ... oder nebenbei arbeiten?

Nicht jede Tätigkeit im Urlaub verboten

 Kündigung wegen Schweißgeruch -  Rechtens

► Service: Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit

 

 Kritische Äußerungen - ein Kündigungsgrund?

"Menschenverachtende Jagd auf Kranke"

 Wiederholt kritische Äußerungen rechtfertigen keine Kündigung oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Streiten die Arbeitsvertragsparteien jahrelang über kritische Äußerungen des Arbeitnehmers, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, so kann auch die mehrfache Wiederholung dieser Äußerungen keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Trotz des langjährigen Streits ist in einem solchen Fall auch ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers regelmäßig unbegründet.

Der Fall: Der Kläger (Gewerkschaftsmitglied und Vertrauensmann), seit 1986 in dem Großunternehmen der Automobilindustrie beschäftigt, veröffentlichte 2002 im Zusammenhang mit einer Abmahnung bzw. Kündigung eines Kollegen einen vom Kläger unterschriebenen Infobrief, in dem es u.a. hieß:

"In dieser Sache richten wir uns an die Arbeiter und die breite Bevölkerung. Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück.

        "Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab."

Auf diese Äußerungen stützte die Beklagte im Dezember 2002 die erste und danach bis August 2007 weitere vier Kündigungen. Im Laufe der langjährigen (gerichtlichen) Auseinandersetzungen der Parteien, die bis zum BAG gingen, wiederholte der Kläger in abgewandelter Form in einem Internetbeitrag die bereits 2002 gemachten Äußerungen. Damit begründete die Beklagte nunmehr die fünfte Kündigung und beantragt hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Das ArbG erklärte die Kündigung für unwirksam, löste aber das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten auf. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte – im Gegensatz zur Berufung der Beklagten – Erfolg.

Die Gründe: Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, da sie nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers gerechtfertigt ist. Die streitigen Äußerungen des Klägers dürfen zum einen nicht isoliert unter Ausblendung der Vorgeschichte der jahrelangen Auseinandersetzungen der Parteien gesehen werden. Zum anderen hat das BAG mit Urteil vom 12.1.2006 (Az.: 2 AZR 21/05) zur ersten Kündigung ausgeführt, dass die Äußerungen vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sind und weder eine Formalbeleidigung noch eine Schmähung einer der Repräsentanten der Beklagten darstellen.

keine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht
Soweit der Kläger die Äußerungen wiederholt hat, ist dies zudem im Rahmen der (gerichtlichen) Auseinandersetzungen zu seiner Rechtsverteidigung geschehen. Ihm kann daher insoweit keine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht vorgeworfen werden.

Das Arbeitsverhältnis kann auch nicht gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden. Eine Auflösung des Arbeitverhältnisses kommt nur ausnahmsweise in Betracht – vor allem, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kern der streitigen Äußerungen liegt Jahre zurück. Der Kläger hat sie zudem nur anlässlich der Kündigungsschutzprozesse und damit in Wahrnehmung berechtigter Interessen wiederholt.

LAG Baden-Württemberg 10.2.2010, 2 Sa 59/09

 

Zusatzurlaub für Schwerbehinderte .... verfällt bei Krankheit nicht

Auch der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte muss nachträglich bewilligt werden, wenn dieser wegen Krankheit nicht genommen werden konnte. Auf Druck des EuGH hatte das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert. Jedenfalls der gesetzliche Mindesturlaub verfällt bei Krankheit nicht mehr (Urteil v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07). Er muss auch Jahre später noch gewährt oder bei einer Beendigung finanziell ausgeglichen werden.

Offen war noch die Frage, wie der Zusatzurlaub von Schwerbehinderten zu behandeln ist. Diesen Anspruch hat jetzt das Bundesarbeitsgericht zugunsten eines Klägers entschieden.

Der Fall: Der schwerbehinderte Kläger war seit September 2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2005 arbeitsunfähig wegen eines Bandscheibenleidens. Nachdem die Beklagte nach Urteil in der II. Instanz schon den Mindesturlaub für 2004 und 2005 ausgeglichen hatte, ging es vor dem BAG noch um den Zusatzurlaub und die Abgeltung des weitergehenden tariflichen Urlaubsanspruches, der über die 4 Wochen gesetzlichen Urlaub hinausgehen.

Gleichstellung mit Mindesturlaubsentscheidung
In der Entscheidung stellt das BAG diesen Zusatzurlaub dem gesetzlichen Mindesturlaub gleich (BAG 23.3.2010, 9 AZR 128/09). Allerdings der Mehrurlaub gemäß Tarifvertrag wurde nicht anerkannt. Ausdrücklich nennt das BAG, dem Tarifvertrag sei nicht zu entnehmen, dass der weitergehende Urlaub stets zu gewähren wäre.

 

Seminar: Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR wissen muss

Inhalt: - mögliche Gründe für betriebsbedingte Kündigungen

            - Vergleichsarbeitnehmer und Sozialauswahl

            - Auswahlkriterien und die Gefahren von Namenslisten

            - Weiterbeschäftigungsanspruch nach Klage

            - ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats / Widerspruchsgründe

            - Sozialplan und Abfindungen im Gerichtsverfahren

2 Tagesseminar im Hotel Hafen Hamburg  mit Auslaufparade „Queen Mary 2“ am Montagabend   Mo. + Di., 16. + 17. Aug. 2010   

Die März-Sonne genießen ... oder nebenbei arbeiten?

Arbeitnehmer dürfen auch im Geschäft des Ehegatten aushelfen - der Urlaub muss nicht zwingend zur Erholung genutzt werden. Das hat jetzt das Landesarbeitsgericht Köln in einem Fall entschieden (Urteil vom 21.09.2009, 2 Sa 674/09), in dem eine Arbeitnehmerin ihrem Mann geholfen hatte, auf einem Weihnachtsmarkt Keramikfiguren zu verkaufen. Hierbei wurde sie mehrfach, auf verschiedenen Märkten gesehen, weil sie eben auch Verkaufstätigkeiten ausübte.

Erholungszweck nicht gefährdet
Ihr Arbeitgeber war jetzt der Meinung, das stehe dem Erholungszweck des Urlaubs entgegen. Außerdem führe die Arbeit in der Kälte zu einem erhöhten Krankheitsrisiko. Nach einer Abmahnung wurde ihr schließlich gekündigt. Das Gericht gab der Kündigungsschutzklage statt. In der Berufung meinte die Firma übrigens, das Ansehen des Geschäftsführers sei geschädigt, wenn man die Klägerin weiter beschäftigten müsse. Auch das wurde in diesem Fall vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

 

Service: Teilzeit während der Elternzeit       

Teilzeit während der Elternzeit ist relativ leicht durchzusetzen, weil der Arbeitgeber häufig noch keine Lösung für den Ausfall der bewährten Kraft gefunden hat. Andererseits verlangt das Gesetz zur Elternzeit (BEEG) eben ausdrücklich "dringende" betriebliche Gründe, die dagegen stehen müss(t)en.

Trotzdem scheitern ein Teilzeitverlangen für die Elternzeit häufig aus formellen Gründen, weil der Antrag nicht korrekt gestellt wurde. Ein geprüftes Muster für einen formwirksamen und gesetzmäßigen Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit stellt der DGB zur Verfügung.

Bei Nutzung dieses Formulars / Antrages haben formelle Einwände des Arbeitgebers keine Chance.

     Muster für einen Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit

 

Kündigung wegen Schweißgeruch - rechtens       

Kaum zu glauben, aber eine Kündigung wegen Schweißgeruchs ist rechtens. So entschied jedenfalls das Arbeitsgericht Köln. In der Begründung wurde allein darauf abgestellt, in der Probezeit könne ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Auch sei die Begründung mangelnder Körperhygiene nicht willkürlich oder sittenwidrig.

Der 50 Jahre alte Kläger, Architekt in der Denkmalbehörde der Stadt Köln, meinte zu der Kündigung nur “Ich empfinde das als absolut erniedrigend unter gebildeten Menschen“. Sein Anwalt kritisierte, das Gericht habe nur rein formalistisch entschieden und es werde wohl eine Berufung geben. Immerhin war dem Kläger ein Vergleich angeboten worden (4 Monate Gehaltszahlung) - vielleicht wäre Seife und ein Deo angebrachter gewesen und damit der Erhalt des Jobs.

 

NewsLetter

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  BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT   Nr. 01 / 2010

 

EuGH kippt Kündigungsfristen   -   Zugehörigkeit zählt auch vor 25. Lebensjahr

 ► Internet für den Betriebsrat   - BAG entscheidet grundsätzlich

 Bei Verdacht(-skündigung) gleich mit Anwalt - nur "einmal darüber schlafen" reicht nicht

 Tarifeinheit - BAG ändert Rechtsprechung    - Konsequenzen auch für die Mitbestimmung

 häufig zum Klo -    rechtfertigt keinen Gehaltsabzug    

      

  Seminar Crash – Kurs Seminar für Neugewählte 2010

„Die ersten Schritte im Betriebsrat“  Di. – Fr. 22. – 27. Juni 2010 im Hotel Hafen Hamburg

 Seminar Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR wissen muss – mit Auslaufparade „Queen Mary 2“      Mo. + Di., 16. + 17. Aug. 2010 

 

EuGH kippt Kündigungsfristen

Wie zu erwarten, hat der EuGH die deutschen Kündigungsfristen gekippt. In § 622 BGB werden die Arbeitsjahre bis zum 25. Lebensjahr bei der Betriebszugehörigkeit und damit auch bei der Dauer der Kündigungsfristen nicht berücksichtigt. Die selben Regelung finden sich oft auch in vielen darauf Bezug nehmenden oder sich anlehnenden Tarifverträgen. Das diskriminiert nach Meinung der Richter junge Menschen wegen des Alters.

Zugehörigkeit auch vor dem 25. Lebensjahr zählt mit
Der Fall:  Eine Frau hatte ab dem Alter von 18 bei einem Unternehmen in Essen gearbeitet und war zehn Jahre später entlassen worden. Der Arbeitgeber legte eine Beschäftigungsdauer von drei Jahren zugrunde (seit dem 25. Geburtstag) und kündigte ihr mit einer Frist von einem Monat. Bei zehn Jahren hätte sie Anspruch auf vier Monate gehabt.

Die EU-Richter in Brüssel fackelten nicht lange: Sie wiesen die deutschen Gerichte an, ab sofort die unzulässige Diskriminierung zu beenden und die Jahre vor dem vollendeten 25. Lebensjahr bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit anders als in § 622 BGB vorgesehen zu berücksichtigten. Die Richter setzten sich mit der einschlägigen EU-Richtlinie auseinander. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters – u.a. wenn diese aus Gründen der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der berufliche Bildung gerechtfertigt ist - möglich. Diese Voraussetzungen waren hier aber nicht erfüllt.

In dem Urteil wird klargestellt: “Es obliegt dem nationalen Gericht, in einem Rechtsstreit das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters sicherzustellen, indem es erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts nicht anwendet.”

(EuGH vom 19.1.2010 Rechtssache C-555/07)

Anmerkung: Ein bisschen Diskriminierung gibt es eben genauso wenig, wie eine übergangsweise hinzunehmende Diskriminierung. Die Haltung des EuGH ist konsequent. Wir brauchen also nicht einmal auf eine deutsche Gesetzesänderung zu warten. Die Arbeitsgerichte müssen diese Entscheidung beachten.

 

Internet für den Betriebsrat

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Bereitstellung eines Internetanschlusses jedenfalls dann verlangen, wenn er bereits über einen PC verfügt, im Betrieb ein Internetanschluss vorhanden ist, die Freischaltung des Internetzugangs für den Betriebsrat keine zusätzlichen Kosten verursacht und der Internetnutzung durch den Betriebsrat keine sonstigen berechtigten Belange des Arbeitgebers entgegenstehen.

Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 20. Jan. 2010 festgelegt.

Erforderliches Kommunikationsmittel
Das Gericht: Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in dem erforderlichen Umfang auch Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört das Internet.

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Antrag eines Betriebsrats stattgegeben, der von der Arbeitgeberin einen Zugang zum Internet für den ihm zur Verfügung stehenden PC verlangt hat. Die Leitung des von der Arbeitgeberin betriebenen Baumarkts, für den der Betriebsrat gebildet ist, verfügt über einen Internetanschluss. Durch die Freischaltung des dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten PC entstehen für die Arbeitgeberin keine zusätzlichen Kosten.

Auch sonstige der Internetnutzung durch den Betriebsrat entgegenstehende berechtigte Belange hatte die Arbeitgeberin nicht geltend gemacht.

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 7 ABR 79/08)

 

Bei Verdacht gleich mit Anwalt

Bei einer Verdachtskündigung muss dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden und einen Anwalt hinzuziehen. So hat es jetzt das Landesarbeitsgericht in Berlin entschieden.

In dem Fall war einem Filialleiter die Unterschlagung von € 5 vorgeworfen worden. Den Vorwurf hatte der vorgesetzte Bezirksverkaufsleiter zwar nicht endgültig aufgeklärt, dem Betroffenen aber noch Gelegenheit gegeben, die Sache „zu überschlafen“. Als keine weitere Stellungnahme erfolgte kündigte der Arbeitgeber, nach Anhörung des Betriebsrates, fristlos.

Eigner Anhörungstermin erforderlich
Dieses Arbeitgeberverhalten rügte jetzt das Gericht in  Berlin. Gefordert ist vom Arbeitgeber, einen weiteren Anhörungstermin abzustimmen, um den Vorwurf aufzuklären und auch Gelegenheit zu geben, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.11.2009 – 6 Sa 1121/09)

 

Tarifeinheit - BAG ändert Rechtsprechung

Der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigt, den bisher hochgehaltenen, aber umstrittenen Grundsatz der Tarifeinheit zu kippen. Nach diesem - im Tarifvertragsgesetz nicht ausdrücklich geregeltem - Prinzip soll in einem Betrieb für einen bestimmten Regelungsgegenstand stets nur ein Tarifvertrag (”Ein Betrieb, ein Tarifvertrag”) zur Anwendung kommen.

Das BAG leitete bisher den Grundsatz der Tarifeinheit aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ab. Durch die Tarifeinheit wurden nicht nur Fälle der Konkurrenz verschiedener Tarifverträge (z.B. noch für Gewerbliche und Angestellte), sondern auch solche der Tarifpluralität (z.B. früher OTV / DAG) dahin gelöst, dass in einem Betrieb nur der speziellere von mehreren Tarifverträgen zur Anwendung kommt.  Beim Bahnstreik haben Gerichte den Streiks der GdL dieses Prinzip entgegengehalten und damit die Streiks der Lokführergewerkschaft verboten. Das war zwar auch falsch, denn die Tarifeinheit hindert eine Gewerkschaft nicht, sich um einen spezielleren Tarifvertrag zu bemühen. Das Streikrecht kann dadurch nicht eingeschränkt werden.

Tariflandschaft wird sich ändern
Die Folgen dieser Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts wären gleichwohl unübersehbar: Sie könnte die gesamte Tariflandschaft ändern und führt in Betrieben dazu, dass für verschiedene Berufsgruppen und Gewerkschaftsangehörige unterschiedliche Tarifregelungen gelten.

Sie stellt außerdem die Praxis vor viele Probleme, z.B. den Betriebsrat oder Personalrat, weil deren starke Mitbestimmungsrechte nur gelten, soweit keine tarifliche Regelung (welche?) vorliegt. Die Klausel in Arbeitsverträgen, die die Anwendung des “jeweils geltenden Tarifvertrages” für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer regeln, wären auf einmal unklar und müssten geändert werden.

Quelle: Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 27.01.2010 - 4 AZR 549/08)

 

häufig zum Klo -  rechtfertigt keinen Gehaltsabzug

Häufige Toilettenbesuche rechtfertigen keine Gehaltskürzung. Das entschied das Arbeitsgericht Köln in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung. Dabei ging es um den Fall eines Rechtsanwalts, der minutiös aufzeichnete, wie viel Zeit der Angestellte auf dem WC verbracht hatte und ihm dafür 682,40 Euro vom Nettogehalt abzog. Daraufhin reichte der Angestellte Klage ein. Er gab an, dass er unter Verdauungsstörungen litt. Das Gericht entschied im Sinne des Klägers, der nun das Arbeitsverhältnis beendet hat.

   

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BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT Nr. 07 / 2009

 

Einsichtsrecht aller BR-Mitglieder   

BAG klärt Datenschutzfragen

Steuerbegünstigung von Zwischenabfindungen   

BFH entscheidet im Fall einer Arbeitszeitreduzierung

Welche Weiterbeschäftigung nach Änderungskündigung?    

ArbG Hamburg sichert Status

Ausgerechnet: „Ehrenkodex“ für Betriebsräte

….was sich die neue Koalition so ausgedacht hat

 

Seminare

Schulung Wahlvorstand – BR-Wahl 2010 -  Mo./Di., 18. + 19. Jan. 2010

  Crash – Kurs Seminar für Neugewählte 2010

     „Die ersten Schritte im Betriebsrat“ - Di. – Fr. 22. – 27. Juni 2010 im Hotel Hafen Hamburg

  Kündigung und Kündigungsschutz – Was der BR wissen muss – mit Auslaufparade „Queen Mary 2“ -  Mo. + Di., 16. + 17. Aug. 2010 

 

Einsicht in alle Unterlagen

Der Betriebsrat muss seinen Mitgliedern Einsicht in alle Unterlagen erlauben

Das Recht eines jeden Betriebsratsmitglieds, jederzeit in die Unterlagen des Gremiums - einschließlich Dateien und E-Mail-Korrespondenz - Einsicht zu nehmen, kann nicht durch Maßnahmen nach dem Bundesdatenschutzgesetz beschränkt werden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verhandelte die Anträge von vier Betriebsratsmitgliedern, die ein uneingeschränktes elektronisches Leserecht hinsichtlich der Dateien und E-Mail-Korrespondenz ihres Gremiums forderten.

Hintergrund: Der Betriebsrat hatte die Ordner im EDV-System nach den unterschiedlichen Ausschüssen angelegt und in einem - noch einstimmig gefassten - Beschluss bestimmt hatte, dass alle Mitglieder nur Zugriff auf den jeweils ihren Ausschuss betreffenden Ordner haben sollten. Allein der Betriebsratsvorsitzende, dessen Stellvertreter und die Systemadministratorin durften unbeschränkt auf alle angelegten Ordner zugreifen. Diese enthielten u.a. das E-Mail-Konto des Betriebsrats.

Der Betriebsrat hatte ein uneingeschränktes Zugriffrecht aller seiner Mitglieder mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei den elektronisch gespeicherten Daten nicht um solche Unterlagen handele, die vom Einsichtsrecht umfasst seien. Im Übrigen sei eine Einräumung allgemeiner Zugriffsrechte für alle Betriebsratsmitglieder aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig. 

Das BAG war anderer Ansicht und gab den Anträgen statt.

Alle Daten müssen zugänglich sein
Ausgangspunkt ist § 34 Absatz 3 BetrVG, der Betriebsratsmitgliedern das Recht einräumt, jederzeit die Unterlagen des Betriebsrats und seiner Ausschüsse einzusehen. Dazu zählen nicht nur Aufzeichnungen in Papierform, sondern sämtliche auf Datenträgern gespeicherten Dateien sowie die Korrespondenz des Betriebsrats unter dessen E-Mail-Anschrift. Dies ergibt der Vergleich mit § 80 Absatz 2 Satz BetrVG, der sich auch auf elektronische Unterlagen bezieht.

Das Bundesarbeitsgericht stellt vor allem klar:

Das Einsichtsrecht einzelner Betriebsratsmitglieder ist unabdingbar, d.h. es kann auch nicht durch einen Beschluss des Betriebsrats eingeschränkt werden.

Sinn und Zweck des Gesetzes ist nämlich, dass die Betriebsratsmitglieder den Überblick über die Gesamttätigkeit des Betriebsrats und die betriebsverfassungsrechtliche Aufgabenerfüllung behalten.

Soll der Beschluss des Betriebsrats - wie hier - eine Maßnahme nach § 9 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) darstellen, kommt hinzu, dass diese Einordnung schon an der Unanwendbarkeit des BDSG scheitert: Über den Umgang mit personenbezogenen Daten innerhalb des Betriebsrats enthält das BetrVG die abschließenden Vorschriften (vgl. § 1 Absatz 3 Satz 1 BDSG). Gleichwohl ist der Betriebsrat als Teil der verantwortlichen Stelle auch nach dem BDSG dem Datenschutz verpflichtet (vgl. § 3 Absatz 7 BDSG).

BAG, Beschl. v. 21.08.2009 - 7 ABR 15/08

 

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Steuerbegünstigung von „Zwischenabfindungen“

Abfindungen für Arbeitszeitreduzierungen können begünstigt zu besteuernde Entschädigungen darstellen

Das hat der Bundesfinanzhof (BFH jetzt im Fall einer Klägerin entschieden, die ihre wöchentliche Arbeitszeit von bisher 38,5 Stunden auf 19,25 Wochenstunden reduziert hat. Der BFH änderte die bisherige Rechtsprechung und stellte klar, dass bei Zahlung einer Teilabfindung die Steuerbegünstigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG angewandt werden kann. Das Gesetz verlange nicht, dass das Arbeitsverhältnis gänzlich beendet werden muss.

Die Klägerin hatte für die Arbeitszeitreduzierung eine Abfindung von rd. EUR 17.459 erhalten. In der Einkommenssteuererklärung verlangte sie die Begünstigung als Entschädigung für mehrere Jahre (sog. „Fünftel-Regelgeung“).

Keine vollständige Beendigung erforderlich
Der BFH: Das Gesetz verlangt nicht, dass das Arbeitsverhältnis gänzlich beendet werden müsse. Es setzt lediglich voraus, dass Einnahmen wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet wird. So verhält es sich, wenn – wie hier - eine Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung überführt und die Arbeitnehmerin dafür abgefunden wird.

Und weiter:. Dem Zweck des § 34 Abs. 2 EStG, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen genügt es, wenn die Zuordnung der Einkünfte zum Katalog des § 34 Abs. 2 EStG von einem besonderen Ereignis abhängig gemacht wird. (BFH 25.8.2009, IX R 3/09)

Das heißt: in Zukunft kann auch bei sog. „Zwischenabfindungen“ auf Steuerbegünstigung bestanden werden.

 

Welche Weiterbeschäftigung nach Änderungskündigung?   

Arbeitsgericht Hamburg sichert Status – Weiterbeschäftigung zu bisherigen Bedingungen

Es ist ein bekanntes Ärgernis: Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, ist der Arbeitnehmer in der Zwangslage: Annahme der Kündigung unter Vorbehalt heißt auch, die neuen Bedingungen annehmen zu müssen, um den Job zu sichern. Das heißt in der Praxis dann allerdings auch, (erst einmal) zu den neuen Bedingungen – also etwa nach Versetzung auf einem anderen Arbeitsplatz – arbeiten zu müssen, bis das Gericht rechtskräftig etwas anderes entscheidet.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat nun den Vergleich zum Weiterbeschäftigungsanspruch nach Beendigungskündigung herausgestellt. Dort besteht schließlich der Anspruch sofort nach gewonnener I. Instanz. Das heißt: wird der Prozess gewonnen, kann eben auch die Beschäftigung zu bisherigen Bedingungen verlangt werden.

Das ArbG stellt sich jetzt ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und urteilt:

„Nach Ablauf der Kündigungsfrist und nach erstinstanzlicher Stattgabe der Änderungsschutzklage ist der Arbeitnehmer nicht zu den geänderten, sondern grundsätzlich zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen:“

In der Begründung heißt es:

Handeln aus Sicherheit
"Die Vorbehaltsannahme kann im Unterschied zur Ablehnung des Änderungsangebots ihren Grund darin haben, dass der Arbeitnehmer von ihm durchaus als unzumutbar angesehene Arbeitsbedingungen allein deshalb vorbehaltlich annimmt, weil ihm dieses Vorgehen als rechtssicherer erscheint, um den Erhalt seines Arbeitsplatzes nicht zu gefährden. Dagegen verliert er bei der Ablehnung im ungünstigsten Fall seinen Arbeitsplatz insgesamt. Den risikobereiteren Arbeitnehmer zu bevorzugen, der das Änderungsangebot ablehnt, und dem der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen bei einer erfolgreichen Klage nach der erstinstanzlichen Entscheidung zusteht, ist aber nicht zwingend und führt zu Wertungswidersprüchen.“

(ArbG Hamburg Urteil vom 17.9.2009, 17 Ca 179/09)

 

Ausgerechnet: „Ehrenkodex“ für Betriebsräte  

Das hat sich die neue schwarz-gelbe Koalition schön ausgedacht. Weil die Managergehälter in der öffentlichen Diskussion sind (Stichwort: Transparenz) hat man jetzt auch die Betriebsräte entdeckt. Im Koalitionsvertrag heißt es:

„Es soll ein Ehrenkodex für Betriebsräte entwickelt werden (z. B. mit einem Recht der Betriebsversammlung auf Offenlegung der gezahlten Aufwendungen an Betriebsratsmitglieder).

Selbst der Deutsche Anwaltsverein (ansonsten eher konservativ eingestellt) bezweifelt die Notwendigkeit einer solchen Regelung. In einer Stellungnahme heißt es: „Aus spektakulären Einzelfällen sollte nicht auf ein Regelungsbedürfnis geschlossen werden.“ Außerdem: Es bestehen ausreichende Regelungen zur Gleichbehandlung und zum Diskriminierungsschutz in § 75 BetrVG. Diese sind schon heute zu beachten.

Auch die BR-Kosten müssen nicht offengelegt werden
Es entspricht übrigens langjähriger Rechtsprechung, dass die Kosten eines Betriebsrates nicht offen zu legen sind. Hier soll aus den notwendigen Aufwendungen kein Rechtfertigungsdruck für den BR entstehen, zumal die (entstandenen) Kosten oft genug durch das Agieren des Arbeitgebers bestimmt sind (so schon das BAG mit Beschluss v. 19.07.95).

Der DGB kritisiert das Vorhaben denn auch zutreffend mit einem „Generalverdacht gegen alle Betriebsräte“.

Also = unsinnig und unnötig.

          

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BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT  Nr. 06 / 2009

 

Maultaschen, Pfandbons und Buletten   

Gerät der Kündigungsschutz aus den Fugen?

unzulässige (interne) Ausschreibung   

„Berufanfänger“ diskriminiert das Alter

Spezialthema „Zillmerung“ bei Direktversicherungen   

BAG nimmt Arbeitgeber in die Verantwortung

Wenn Bewerber bluten müssen   

Merkwürdige Praxis bei Einstellungen

vom Kater gebissen

Arbeitgeber haftet nur bei Vorsatz

 

►►► “Schulung Wahlvorstand – BR-Wahl 2010“

 2-Tages-Seminar für Wahlvorstände – „normales“ und „vereinfachtes“ Wahlverfahren - Schwerpunkte: Einbeziehung von Leih- und Zeitarbeitnehmern; Wer darf wählen oder gewählt werden? Wer zählt mit bei der BR-Größe; Gemeinschaftsbetrieb - welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Referent: Rechtsanwalt Wolfgang Steen

Mo.  + Di., 18. + 19. Januar 2010 im Hotel Hafen Hamburg

  (Beginn Mo., 10.00; Ende Di., ca. 15.30 Uhr)    

Maultaschen, Pfandbons und Buletten

Gerät das deutsche Kündigungsschutzrecht aus den Fugen?

Die Volksseele kocht. Immer mehr Urteile der Arbeitsgerichte stoßen auf massive Kritik. Jetzt soll sogar eine fristlose Kündigung rechtens sein, wenn sich eine Altenpflegerin 6 Maultaschen zurücklegt, um sie am Ende eines langen Arbeitstages aufzuwärmen. Wohlgemerkt: Maultaschen, die sonst weggeschmissen würden.
Die Bild-Zeitung druckt das Foto der „Richterin Gnadenlos“ vom Arbeitsgericht Randolfzell. Selbst die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt am 18.10.2009: „Schließlich werden millionenfach Kekse gemopst und Bleistifte eingesteckt, ohne dass es zu Massenentlassungen kommt. Denn genauso klar ist, dass durch einen zweckentfremdeten Fleischkloß das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeiter wohl kaum in seinen Grundfesten erschüttert wird. Wer das behauptet, kaschiert das Offensichtliche: Solche Fälle haben entweder eine lange Vorgeschichte, oder es wird ein Exempel statuiert.“

Was also lehren diese Fälle:

Interessenabwägung hat Vorrang
Es sind die Arbeitsgerichte, die scheinbar kritiklos auf den Zug aufspringen: Jeder Diebstahl, sei die Sache auch noch so gering, belastet das Vertrauensverhältnis. Tatsächlich haben die Gerichte jedoch eine
Interessenabwägung vorzunehmen: Wiegt das Arbeitgeberinteresse, einen (vermeintlichen) Verstoß zu ahnden höher, als das Arbeitnehmerinteresse am Erhalt des Arbeitsplatzes. Und schließlich: In die Interessenabwägung einzubeziehen ist auch, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei bestanden hat.

Wenn es also überhaupt eine „Vorgeschichte“ in all diesen Fällen gibt, können kündigungsrelevant nur solche sein, die z.B. schon zu einer Abmahnung oder Ermahnung geführt haben.

 

unzulässige (interne) Stellenausschreibung

Beschränkung von Stellenausschreibungen auf Berufsanfänger kann unzulässig sein

„Die Begrenzung einer internen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr kann eine nach dem AGG unzulässige Altersdiskriminierung darstellen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der beabsichtigte Einsatz von Berufsanfängern lediglich dazu dient, Kosten zu sparen. Gegen einen solchen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung kann auch der Betriebsrat vorgehen.“ Das hat das BAG jetzt entschieden.

Der Fall:

Der Arbeitgeber betreibt eine Reihe von Drogerieketten. Er hatte interne Stellenausschreibungen im Jahr 2007 wiederholt mit der Angabe "Tarifgruppe … / erstes Berufsjahr" versehen. Die Mitarbeiterinnen des ersten Berufsjahrs des Arbeitsgebers sind durchschnittlich etwa 29 Jahre alt. Im zweiten Berufsjahr steigt das durchschnittliche Alter auf 36 Jahre an und beträgt ab dem dritten Berufsjahr durchschnittlich etwa 43 Jahre.

Der für den Betrieb R. gewählte Betriebsrat verlangte mit seinem Antrag von dem Arbeitgeber, in internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des ersten Berufsjahres zu verzichten, da hierin eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters liege. Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Auffassung, dass eine etwaige Ungleichbehandlung aufgrund des berechtigten Anliegens gerechtfertigt sei, durch den Einsatz von Berufsanfängern Kosten zu sparen.

Nachdem das LAG anderer Meinung war, hatte der Betriebsrat vor dem BAG keinen Erfolg.

Das BAG führt aus:

längere Zugehörigkeit = typischerweise älter
Der Arbeitgeber muss bei internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des ersten Berufsjahres verzichten. Eine solche Beschränkung kann grds. eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG darstellen, da Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren typischerweise älter sind als Berufsanfänger. Die Ungleichbehandlung kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber damit ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und die Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.

Im Streitfall hat sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung auf Kostengründe und das knappe Personalbudget berufen. Da diese Begründung offensichtlich ungeeignet ist, eine Beschränkung des Bewerberkreises auf jüngere Beschäftigte zu rechtfertigen, hat der Arbeitgeber grob gegen seine Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gem. § 11 AGG verstoßen. Hiergegen konnte gem. § 17 Abs. 2 AGG der Betriebsrat vorgehen.

(BAG vom 18.8.2009, 1 ABR 47/08)

 

Spezialthema „Zillmerung“ (bei Direktversicherungen)   

BAG nimmt Arbeitgeber in die Verantwortung - Gezillmerte Versicherungstarife bei Entgeltumwandlungen sind unzulässig

Das Problem: Bei Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages fallen Abschluss- und Vertriebskosten an.

Diese belasten sofort das Konto, so dass sich in den ersten Jahren nur ein verhältnismäßig geringes Kapital aufbaut. Wird aber Barlohn in eine Direktversicherung umgewandelt, darf dieser nicht geschmälert werden.

Der Fall: Der Kläger war von 2001 bis 2007 beschäftigt. 2004 wurde eine Entgeltumwandlung vereinbart, wobei der Anspruch des Klägers auf Barlohn i.H.v. vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in eine sofort unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung umgewandelt wurde. Hierfür wurde eine Direktversicherung abgeschlossen.

Der zugrunde gelegte Versicherungstarif war gezillmert, d.h. die bei Abschluss des Versicherungsvertragsanfallenden einmaligen Abschluss- und Vertriebskosten belasteten sofort das Konto des Klägers. Dementsprechend wurde in den ersten Jahren nach Beginn des Versicherungsverhältnisses überhaupt kein oder nur ein verhältnismäßig geringes Deckungskapital aufgebaut.

Zum 1.10.2007 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte umgewandelten Barlohn i.H.v. insgesamt rd. 7.000 € bei der Versicherung eingezahlt. Wegen der Zillmerung belief sich das Deckungskapital aber lediglich auf rd. 4.700 €. Daraufhin verlangte der Kläger von seinem Arbeitgeber die Auszahlung des umgewandelten Arbeitsentgelts von rd. 7.000 €. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich zwar noch nicht endgültig festgelegt, aber ausgeführt:

Entgeltumwandlung darf nicht gezillmert werden
„Zwar verstößt bei einer Entgeltumwandlung die Verwendung (voll) gezillmerter Versicherungsverträge nicht gegen das Wertgleichheitsgebot des Betriebsrentengesetzes. Es kann aber eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB vorliegen. Angemessen könnte es sein, die Abschluss- und Vertriebskosten auf fünf Jahre zu verteilen.“

Der Kläger konnte sich hier zwar noch nicht durchsetzen, weil er von seinem Arbeitgeber die volle Rückerstattung gefordert hatte. Für künftige Verträge ist allerdings dieses Urteil wegweisend, weil sich die Versicherungsgesellschaften entsprechend umstellen müssen.

(Bundesarbeitsgericht vom 15.9.2009, 3 AZR 17/09)

 

Wenn Bewerber bluten müssen

Sind Bluttests überhaupt zulässig? Datenschutz und Arbeitsrecht 

Im Gegensatz zu harmlosen Seh- oder Fitnesstests gewährt ein Bluttest intimste Einblicke in die Gesundheit  eines Menschen. Er kann Aufschluss über eine Diabetes-Erkrankung geben, über den Cholesterin-Spiegel, erhöhte Leberwerte oder eine HIV-Infektion. "Arbeitgeber, die Bluttests verlangen, müssen sich die Frage gefallen lassen, was sie eigentlich damit herausfinden wollen", sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtsexpertin beim DGB. "Bloß weil jemand erhöhte Leberwerte hat oder HIV-infiziert ist, heißt das ja nicht, dass er seine Arbeit nicht gut macht." Ihrer Ansicht nach sind Bluttests deshalb generell nicht erlaubt. Im Übrigen seien nicht nur Gesundheitstests, sondern auch Fragen nach dem Gesundheitszustand nur zulässig, wenn sie für die konrete Arbeit benötigt würden.

Können Bewerber sich weigern?

Genau hier liege das Problem, sagt Perreng. "Wer die Stelle haben will, wird sich im Zweifelsfall zu einer ärztlichen Untersuchung bereit erklären." Sie hofft jedoch, dass solche Fälle öffentlich gemacht werden, damit Arbeitgeber abgeschreckt werden. Ein möglicher Kompromiss sei, dass der Arbeitnehmer ein Attest seines Hausarztes vorlegt.

(Süddeutsche Zeitung 29.10.2009)

 

vom Kater gebissen

Eine Tierpflegerin in einer Tierarztklinik passierte Folgendes:

Auf Aufforderung des Arztes hatte sie einen widerspenstigen Kater einzufangen, der untersucht und kastriert werden sollte. Dabei war sie von dem Tier gebissen worden. Eine Infektion beeinträchtigte den Heilungsprozess und führte schließlich dazu, dass ihr ein künstliches Fingermittelgelenk eingesetzt werden musste.

Sie verlangte nun von ihrem Arbeitgeber Zahlung von Schmerzensgeld. Das LAG wies die Klag mit der Begründung ab, der Arbeitgeber hafte bei Arbeitsunfällen nur dann auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, wenn er den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat. Der beklagte Arzt hat allenfalls bewusst fahrlässig gehandelt, als er der Klägerin die Anweisung gab, den renitenten Kater einzufangen.

(Hessisches LAG 14.7.2009, 13 Sa 2141/08)

 

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BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT   Nr. 05 / 2009

Arbeitszeit im Außendienst   

Grundsatzentscheidung des BAG

AGG-Beschwerdestelle mitbestimmungspflichtig   

Der GBR kann zuständig sein

► Personalgespräch kann verweigert werden   

Abmahnung muss entfernt werden

keine versteckten Hinweise im Zeugnis   

ArbG Herford kippt überraschende Klausel

„Klei mi ann Mors“

 kein Grund zur fristlosen Kündigung

Verträge mit Pauschalvergütung

 LAG Hessen erkennt Mitbestimmung

 ►►► Seminar für Neugewählte 2010

„Die ersten Schritte im Betriebsrat“

Crash-Kurs von Di. – Fr. 22. – 27. Juni 2010 im Hotel Hafen Hamburg mit "Dämmertörn" auf der Außenalster - http://www.seminare37absatz6.de

 

 

Wegezeit ist Arbeitszeit im Außendienst

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Frage der Wegezeiten von Außendienstler auseinander zu setzen. In einer Grundsatzentscheidung heißt es jetzt:

1. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Keine Arbeit wird für den Arbeitgeber durch den Weg zur Arbeit erbracht. Dagegen gehört die Reisetätigkeit bei Außendienstmitarbeitern zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten (§ 611 Abs. 2 BGB). Mangels festen Arbeitsorts können sie ihre vertraglich geschuldete Arbeit ohne dauernde Reisetätigkeit nicht erfüllen.

2. Das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit ist darauf gerichtet, verschiedene Kunden zu besuchen, wozu die jeweilige Anreise zwingend gehört. Das gilt nicht nur für die Fahrten zwischen den Kunden. Die Fahrten zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück bilden mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit und stellen nach der Verkehrsanschauung jedenfalls bei Außendienstmitarbeitern, Vertretern, "Reisenden" u.ä. insgesamt die Dienstleistung iSd. §§ 611, 612 BGB dar. Das ist unabhängig davon, ob der Fahrtantritt ab der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder ab der Wohnung des Arbeitnehmers erfolgt.

Vom Home-Office mit Fahrgeldanspruch
In dem Fall hatte der Arbeitgeber die vorherige Niederlassung geschlossen und für die Service-Techniker eine „Home Office-Lösung“ eingerichtet. In einer Gesamt-Betriebsvereinbarung hieß es dann: „Die Arbeitszeit beginnt beim ersten Kunden und endet beim letzten Kunden.“

Die Techniker sollten ihre Einsätze selbst disponieren und erhielten, wenn der erste Kunde nicht wohnortnah war, eine Zeitgutschrift nur, wenn die Fahrtzeit über 30 Minuten betrug („Eine Fahrtzeit von 30 Minuten bis zum ersten Kunden gilt als zumutbar.“) Der Kläger machte mit seiner Zahlungsklage für den Zeitraum von rund einem Jahr insgesamt 145,02 zusätzliche Stunden geltend multipliziert mit einem Stundenlohn von 16,65 Euro.

Landes- und Bundesarbeitsgericht gaben dem Kläger Recht, weil er zum Lenken eines Fahrzeuges verpflichtet gewesen ist.

Gegenteilige Betriebsvereinbarung steht nicht entgegen
Auf die (zum Teil) gegenteiligen Festlegungen in der Gesamt-Betriebsvereinbarung kam es nicht an. Das BAG: „Die GBV ist jedenfalls nicht zwingend. Vielmehr gilt das Günstigkeitsprinzip, da nach dem Arbeitsvertrag des Klägers Anfahrts- und Rückfahrtszeiten in vollem Umfang in die Arbeitszeit einbezogen waren.“

(BAG v. 22.4.2009 - 5 AZR 292/08)

 

AGG-Beschwerdestelle mitbestimmungspflichtig   

„Der Betriebsrat hat mitzubestimmen bei der Einführung und Ausgestaltung des Verfahrens, in dem Arbeitnehmer ihr Beschwerderecht nach dem AGG wahrnehmen können.“

Dies hat das Bundesarbeitsgericht jetzt grundsätzlich festgestellt.

Es geht darum, dass der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 5 AGG die für Beschwerden zuständige Stelle im Betrieb bekannt machen. Die Beachtung eines bestimmten Verfahrens, um sich zu beschweren, ist allerdings nicht vorgeschrieben. Die Einführung und Ausgestaltung fällt aber nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter die Mitbestimmung des Betriebsrats.

Das BAG hierzu:

„Der Betriebsrat kann zu diesem Zweck selbst initiativ werden und ein Beschwerdeverfahren über eine Einigungsstelle durchsetzen. Dagegen hat er kein Mitbestimmungsrecht bei der Frage, wo der Arbeitgeber die Beschwerdestelle errichtet und wie er diese personell besetzt. Hierbei handelt es sich um mitbestimmungsfreie organisatorische Entscheidungen. Errichtet der Arbeitgeber eine überbetriebliche Beschwerdestelle, steht das Mitbestimmungsrecht beim Beschwerdeverfahren nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.“

Beschwerdestelle überbetrieblich
Mit dieser Entscheidung ist also geklärt, dass die Beschwerdestelle „überbetrieblich“, z.B. in der Zentrale angesiedelt werden kann – dann steht dem GBR das Mitbestimmungsrecht zu. Das gesamte Verfahren, wie Beschwerden „abgehandelt“ und welche Konsequenzen ggf. gezogen werden, ist dagegen insgesamt mitbestimmungspflichtig..

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2009 - 1 ABR 42/08)

 

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Personalgespräch kann verweigert werden

Arbeitnehmer dürfen Teilnahme an Personalgespräch verweigern

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers beinhaltet nicht die Befugnis, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Personalgespräch über eine Änderung des Arbeitsvertrags zu verpflichten. Weigert sich der Arbeitnehmer, an einem solchen Gespräch teilzunehmen, darf der Arbeitgeber daher keine Abmahnung aussprechen.

Der Fall: Die Klägerin ist als Altenpflegerin beschäftigt. Nachdem der Arbeitgeber in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, wollte er das 13. Monatsgehalt der Mitarbeiter reduzieren. Zu diesem Zweck wurde ein gemeinsames Gespräch mit allen betroffenen Mitarbeitern geführt. Weil dieses kein endgültiges Ergebnis brachte, wurden alle betroffenen Arbeitnehmer, darunter auch die Klägerin, zu Einzelgesprächen in das Büro des Personalleiters geladen.

Die Klägerin erschien zwar zum Einzelgespräch, erklärte aber, nur zusammen mit den anderen Kollegen über die Verminderung des 13. Gehalts verhandeln zu wollen. Dies lehnte der Arbeitgeber ab und erteilte der Klägerin eine Abmahnung, weil das Personalgespräch Teil der geschuldeten Arbeitsleistung gewesen sei. Die Klägerin habe daher ihre Arbeitsleistung verweigert.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte. Das Direktionsrecht der Beklagten beziehe sich nur auf die Arbeitsinhalte und nicht auf die Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen Regelungen. Insoweit gelte vielmehr der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das ArbG wies die Klage ab; das LAG gab ihr statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Die Gründe: Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Die Klägerin war nicht zur Teilnahme an einem Einzelgespräch über die von der Beklagten gewünschte Absenkung der Vergütung verpflichtet.

Nur Direktionsrecht ist durchsetzbar
Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern zwar kraft ihres Direktionsrechts Weisungen erteilen. Das gilt aber nicht uneingeschränkt. Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht bereits durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht umfasst außerdem Weisungen zur Ordnung und dem Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb.

Im Streitfall wollte die Beklagte die Klägerin zur Teilnahme an einem Personalgespräch verpflichten, in dem es ausschließlich um die Absenkung der Arbeitsvergütung gehen sollte. Diese Weisung betraf keinen der von § 106 GewO abgedeckten Bereiche. Es ging auch nicht um die Ordnung oder das Verhalten der Klägerin im Betrieb, sondern ausschließlich um die von der Beklagten gewünschte Änderung des Arbeitsvertrags. Die Weisung war daher nicht vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst.

(BAG Urteil v. 23.6.2009, 2 AZR 606/08)

 

keine versteckten Hinweise im Zeugnis

Arbeitgeber dürfen in einem Arbeitszeugnis nicht anbieten, künftigen Arbeitgebern jederzeit für telefonische Nachfragen über die Arbeitsqualität des Arbeitnehmers zur Verfügung zu stehen.

Ein solcher Passus verstößt gegen § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO und ist ersatzlos zu streichen. Er ist objektiv als verschlüsselter Hinweis darauf zu verstehen, dass die im Zeugnis enthaltene Leistungsbeurteilung nicht den wirklichen Leistungen des Arbeitnehmers entspricht.

Der Fall: Ein Passus im Arbeitszeugnis lautete:

"Gerne stehen wir jedem zukünftigen Arbeitgeber von Frau S. hinsichtlich Nachfragen über die Qualität der von ihr für uns geleisteten Arbeit zur Verfügung."

Die Klägerin wandte sich gegen die Passage mit Erfolg vor dem Arbeitsgericht Herford.

Das Gericht::

ungewöhnlich und überraschend
Objektiv kann der streitige Satz nur als verschlüsselte Aufforderung verstanden werden, sich über die vom Zeugnisinhalt abweichende wirkliche Qualität der Arbeit der Klägerin zu informieren. Das Angebot ist derart ungewöhnlich und überraschend, dass dem Leser hiermit eine andere Aussage über die Leistungsqualität der Klägerin suggeriert wird, als es der Zeugnistext nahe legt.

(ArbG Herford vom 0 1.04.2009, 2 Ca 1502/08)

 

 Klei mi ann Mors“

Kein Grund zur fristlosen Kündigung

Der Fall:  Zwischen dem Kläger und seiner Vorgesetzten kam es zu einem konfliktgeladenen Gespräch, in dem es unter anderem um einen Urlaubswunsch des Klägers ging. Eine Einigung wurde nicht erzielt, die Atmosphäre und der Tonfall verschärften sich. Wer es zu verantworten hat, dass der Streit eskalierte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls sagte der Kläger schließlich zu seiner Vorgesetzten: “Klei mi ann Mors”. Der Arbeitgeber empfand diese Äußerung als grobe Beleidigung und nahm sie zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Das Arbeitsgericht Hamburg musste erst einmal aus dem Plattdeutschen übersetzen. Im Urteil heißt es:

Plattdeutsche Übersetzung
„Der Kläger hat sich gegenüber seiner Vorgesetzten zwar nicht korrekt verhalten, indem er ihr gegenüber erklärte:”Klei mi ann Mors”. Dies ist plattdeutsch und bedeutet auf Hochdeutsch: “Kratz mich am Hintern”.   Hier irrt also die Beklagte, wenn sie meint, dass “Klei mi ann Mors” mit: “Leck mich am Arsch” zu übersetzen sei.

Gleichwohl ist die Äußerung des Klägers ungehörig, denn sie ist unhöflich. Ein solcher Ton verbietet sich gegenüber einer Vorgesetzten, zumal wenn es sich um eine Frau handelt. Dass das Gewicht dieser Unhöflichkeit jedoch einer schweren Vertragsverletzung gleichkommen würde, die “an sich” geeignet ist, einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darzustellen, erscheint ausgesprochen zweifelhaft. Rechtlich maßgebend ist nicht die subjektive Bewertung der betroffenen Frau G., es findet vielmehr eine verobjektivierte Betrachtung statt.“

Die Kündigung war nicht rechtens. Übrigens: Das Gericht lehnte es ab, die fristlose in eine fristgerechte Kündigung „umzudeuten“. Der Kläger wird also weiterbeschäftigt.

(Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 12. Mai 2009 – 21 Ca 490/08)

 

Mitbestimmung bei Pauschalvergütung 

„Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird verletzt, wenn ein Arbeitgeber nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung, die Freizeitausgleich für Mehrarbeit vorsieht, mit neu eingestellten Arbeitnehmern formularmäßig die Abgeltung etwaiger Mehrarbeit durch die Jahrespauschalvergütung vorsieht.“

weil neue Entlohnungsgrundsätze
Das LAG Hessen hat hier erkannt, dass „neue Entlohnungsgrundsätze“ aufgestellt werden, wenn der Arbeitgeber die Höhe der Vergütung losgelöst vom Umfang der dafür als Gegenleistung zu erbringenden Arbeitszeit festlegt.

(Hess. LAG, Beschl. v. 15.01.2009  - 5 TaBV 140/08)

 

www.gefaerdungsbeurteilung.de 

Unter der Adresse www.gefaehrdungsbeurteilung.de bietet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ab sofort ihr neues Onlineportal zur Gefährdungsbeurteilung an.

 

NewsLetter

Dieser NewsLetter BETRIEBSRAT erscheint regelmäßig und wird per E-Mail kostenlos an alle Interessenten versandt, die sich angemeldet haben. Wir berichten darin über aktuelle Änderungen im Arbeitsrecht und Urteile der Arbeitsgerichte, die für die BR-Arbeit wichtig sein können.

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BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT  Nr. 04 / 2009

auch scharfe Kritik erlaubt   

LAG Hamm gibt BR-Vorsitzenden Recht 

Zweites Kind – Elternurlaub wird verlängert

     BAG entscheidet zu Gunsten der Klägerin

Im Zweifel … für den Betriebsrat

     Beteiligung bei Überleitung in TVöD

Mithören lassen !

     kein Beweisverwertungsverbot

►►►    Seminar

 “BR-Wahl 2010 – rechtzeitig vorbereiten“

Schwerpunkte: Einbeziehung von Leih- und Zeitarbeitnehmern; Gemeinschaftsbetrieb

3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg -  Mo. – Mi., 23. - 25. Nov  2009

 am Dienstag, 24.11. -  Besuch „Heiße Ecke“ im Schmidt’s Tivoli

           

Auch scharfe Kritik erlaubt

Kritische Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden rechtfertigen nur in Ausnahmefällen eine außerordentliche Kündigung

Arbeitgeber und ihre Repräsentanten müssen sich kritische Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden grundsätzlich gefallen lassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Kritik nicht in ehrverletzender Form geäußert wird. Eine außerordentliche Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden wegen kritischer Äußerungen kommt nur bei groben Beleidigungen oder Diffamierungen in Betracht.

Der Fall:

Die Arbeitgeberin (DRK Blutspendedienst West) wollte das Arbeitsverhältnis mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats in M. und gleichzeitigen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden A. außerordentlich kündigen. Sie warf A. vor, dass er die Leitung des Blutspendedienstes grob beleidigt und ihren Geschäftsführer persönlich diffamiert habe. A. setze zudem die Interessenvertretung für den Betriebsrat mit Tätigkeiten für die Gewerkschaft ver.di gleich. Er habe auf einer Betriebsversammlung das Podium zur Werbung für ver.di genutzt und sich polemisierend über die Christliche Gewerkschaft DHV geäußert.

Tarifexperiment
Hintergrund des Konflikts ist ein seit Jahren schwelender und vor den Arbeitsgerichten ausgetragener Streit um die Anwendung verschiedener Tarifverträge. Der Gesamtbetriebsrat wirft der Arbeitgeberin in soweit ein zweifelhaftes "Tarifexperiment" mit der Gewerkschaft DHV vor.

Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des A. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung und hilfsweise den Ausschluss des A. aus dem Betriebsrat. Das ArbG lehnte die Anträge ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem LAG ebenfalls keinen Erfolg. Das LAG entschied jetzt rechtskräftig.

Die Gründe:

Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des A. war nicht gemäß § 103 Abs.2 S.1 BetrVG gerichtlich zu ersetzen, da die beabsichtigte Kündigung nicht gerechtfertigt ist. A. ist auch nicht aus dem Betriebsrat auszuschließen. Derartige Maßnahmen kommen nur bei groben Beleidigungen oder Diffamierungen in Betracht. Diese sind in den beanstandeten Äußerungen des A. nicht zu sehen.

Grundsätzlich müssen sich Arbeitgeber und ihre Repräsentanten auch scharfe Kritik durch den Betriebsrats gefallen lassen, soweit diese nicht in ehrverletzender Form geäußert wird. Im Streitfall ist die Grenze des zulässigen nicht überschritten worden, zumal A. sich bereits vor Einleitung des Verfahrens beim Geschäftsführer entschuldigt hat. Es sind auch keine Pflichtverletzungen erkennbar, die einen Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertigen würden.

(LAG Hamm 20.03.2009, 10 TaBV 149/08)

 

Zweites Kind – Elternurlaub wird verlängert

Wegen der Geburt eines zweiten Kindes vorzeitig beendete Elternzeit kann regelmäßig später nachgeholt werden

Arbeitnehmer können die in Anspruch genommene Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes grundsätzlich unterbrechen und den verbleibenden Anteil von bis zu zwölf Monaten auf einen späteren Zeitraum zwischen Vollendung des dritten und des achten Lebensjahrs des Kindes übertragen. Der Arbeitgeber muss der Übertragung zwar zustimmen, ist dabei aber an billiges Ermessen gemäß § 315 BGB gebunden.

Der Fall:

Die Klägerin war seit 1999 bei der Beklagten als Reiseverkehrskauffrau beschäftigt. Ihr erstes Kind wurde im Juli 2004 geboren. Sie nahm hierfür drei Jahre Elternzeit in Anspruch. Im Juli 2006 kam ihr zweites Kind zur Welt. Auch für dieses Kind nahm sie mit Schreiben vom 16.08.2006 drei Jahre Elternzeit in Anspruch. Die Elternzeit für ihr erstes Kind sollte deshalb vorzeitig beendet und die dadurch verbleibende Elternzeit an die Elternzeit für das zweite Kind "drangehängt" werden.

Die Beklagte verweigerte ihre Zustimmung zur Übertragung der Elternzeit. Sie begründete dies damit, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin aufgrund der längeren Abwesenheit noch mehr abnähmen und damit eine Wiederaufnahme der Tätigkeit immer schwerer werde.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zur Übertragung der Elternzeit. Sie machte geltend, dass der Übertragung der Elternzeit entgegenstehende Interessen der Beklagten nicht erkennbar seien. Die Beklagte könne aufgrund der Größe des Unternehmens und des Umstands, dass sie überwiegend Teilzeitkräfte beschäftige, ohne Weiteres auch für den Übertragungszeitraum auf ihre Arbeitsleistung verzichten.

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Begründung des BAG:
"Die Beklagte muss der begehrten Übertragung der Elternzeit zustimmen. Die Klägerin konnte die für ihr erstes Kind in Anspruch genommene Elternzeit wegen der Geburt des zweiten Kindes vorzeitig beenden. Nach § 16 Abs.3 S.2 BErzGG/BEEG kann der Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung der Elternzeit aus diesem Grund nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. Solche der Beendigung entgegenstehende dringende betriebliche Gründe hat die Beklagte nicht nennen können.

Den durch eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit verbleibenden Anteil von bis zu zwölf Monaten können Arbeitnehmer gemäß § 16 Abs.3 S.2 in Verbindung mit § 15 Abs.2 S. 4 BErzGG/BEEG mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit nach Vollendung des dritten bis zur Vollendung des achten Lebensjahrs des Kindes übertragen."

Im Streitfall hat die Beklagte ihre Zustimmung zur Übertragung der Elternzeit zwar verweigert. Diese Weigerung entspricht aber nicht billigem Ermessen nach § 315 BGB. Denn sie hat nicht dargelegt, welche Nachteile ihr durch die Übertragung der Elternzeit entstehen.

(BAG 21.04.2009, 9 AZR 391/08)

 

Im Zweifel … für den Betriebsrat

Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei der Überleitung in die Entgeltordnung des TVöD

Bei der Überleitung von Beschäftigten zu den Entgeltgruppen und den Stufen der Entgelttabelle des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) nach den Regelungen des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) ist der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen.

München war anderer Meinung
Das hat jetzt (erst) das Bundesarbeitsgericht in einer Grundsatzentscheidung festgestellt. Interessant: beide Vorinstanzen in München hatten den Anspruch des BR abgelehnt, erst das BAG konnte helfen. Die Arbeitgeber haben stets damit argumentiert, die Überleitung sei eine bloße Formalität.

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. April 2009 - 4 ABR 14/08)

 

Mithören lassen !

Kein Beweisverwertungsverbot, wenn Freundin Telefongespräch mitgehört hat

Der Fall: Ein Zeitarbeitsunternehmen kündigte der Klägerin während ihrer Krankheit und innerhalb der Probezeit. Die Klägerin hält die Kündigung für sittenwidrig und hat geltend gemacht, sie sei unmittelbar vor der Kündigung von der Personaldisponentin der Beklagten angerufen worden.

Diese habe ihr gesagt, sie solle trotz der Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit kommen, andernfalls müsse sie mit einer Kündigung rechnen. Das Unternehmen bestreitet die behauptete Äußerung der PersonalDisponentin. Für die Richtigkeit ihrer Behauptung hat sich die Klägerin auf das Zeugnis einer bei dem Telefonat anwesenden Freundin berufen, welche das Gespräch zufällig ohne ihr Wissen mitgehört habe.

Im Prozess lässt das Arbeitsgericht (München) die Vernehmung der Freundin allerdings nicht zu, hört nur die Personaldisponentin an und weist die Klage ab. Die Klägerin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg.

Die Begründung: „Das Landesarbeitsgericht durfte von der Vernehmung der Freundin der Klägerin als Zeugin nur verzichten, wenn die Klägerin dieser zielgerichtet ermöglicht hatte, das Telefongespräch heimlich mitzuhören. Wenn sie z.B. den Raumlautsprecher des Telefons anstellt oder das Gerät vom Ohr weghält, verletzt sie das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners.“

grundrechtlcher Schutz im gerichtlichen Verfahren
Dagegen besteht dann, wenn der Angerufene nichts dazu beigetragen hat, dass der Dritte das Telefongespräch mithören konnte, kein Beweisverwertungsverbot. Das Interesse des Angerufenen an der Durchsetzung seiner im Einzelfall auch grundrechtlich geschützten Rechte in einem gerichtlichen Verfahren sowie das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Rechtspflege und materiell richtigen Entscheidung über wiegen das Interesse des Anrufers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts.

Die Sache wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen um zu klären, ob eine unzulässige Maßregelung vorlag.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. April 2009 - 6 AZR 189/08)

Merke: Manchmal ist es sinnvoll, jemanden Mithören zu lassen (aber eben nur „zufällig“..).

NewsLetter

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BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT   Nr. 03 / 2009

► Änderung der Rechtsprechung:

Urlaub trotz Krankheit - jetzt auch vom Bundesarbeitsgericht bestätigt +++ gilt rückwirkend +++ Ansprüche geltend machen

Sonderkündigungsschutz auch für den Abfallbeauftragten

     …wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich zugewiesen

►►►      nur noch wenige Plätze

„Europa – Einfluss auf das Arbeitsrecht“

mit Prof. Wolfgang Däubler - 3-Tages-Seminar im  Hotel Hafen Hamburg,

        Mo. – Mi., 11. – 13. Mai 2009

►►►    neu +++ neu +++ neu

 “Kurzarbeit und Sozialplan erfolgreich   verhandeln“

Entlassungen, Kurzarbeit, Wann welche Forderungen stellen, Verhandlungsablauf und -taktiken -  3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg -  Mo. – Mi., 22. - 24. Juni  2009

 

Urlaub trotz Krankheit

Nach der bahnbrechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat jetzt auch das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung angepasst:

Jedenfalls der gesetzliche Mindesturlaub kann nicht verfallen, auch wenn die Krankheit länger andauert, z.B. über den 31. März des Folgejahres hinaus. Dies bisher gegenteiligen Rechtsprechung wurde ausdrücklich aufgegeben (Urteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 -).

Auslöser hierfür war eine Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009.

Der Fall:  Die Klägerin war seit August 2005 bei dem Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Im Juni 2006 erlitt sie einen Schlaganfall und war bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.01.2007 und darüber hinaus durchgehend arbeitsunfähig. Mit ihrer Klage verlangte sie vom Beklagten unter anderem die Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 und 2006.

Das BAG: Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche. Bisher wurde Bundesurlaubsgesetz so ausgelegt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden kann. Hieran wird nicht mehr fest gehalten.

Nach der EuGH-Entscheidung darf der bezahlte Mindestjahresurlaub von vier Wochen nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Hieraus folgt für das deutsche Recht, dass Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Teil- oder Vollurlaubs nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist.

kein Vertrauensschutz für Arbeitgeber
Das BAG zur Rückwirkung der Entscheidung: „Jedenfalls seit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des LAG Düsseldorf vom 02.08.2006 durften Arbeitgeber nicht mehr auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung vertrauen. Daher steht gesetzlichen Ansprüchen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallen waren, trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kein Erfüllungshindernis entgegen.“

Mit anderen Worten: Wer wegen (lang andauernder) Krankheit sogar noch Urlaubsansprüche aus 2007 und 2008 hat, kann diese auch noch einfordern.

Der Hintergrund: Die Entscheidung des BAG betrifft nur den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen im Jahr, nicht einen tariflich oder einzelvertraglich vereinbarten Mehrurlaub.

►►► Europa-Seminar:

„Europa – Einfluss auf das Arbeitsrecht“ - mit Prof. Wolfgang Däubler                                              

Entscheidungen des EuGH greifen immer stärker in das deutsche Arbeitsrecht ein. Aber auch die europäische Kommission ist nicht untätig, zuletzt mit der Erweiterung der Möglichkeiten für Europäische Betriebsräte.

   Prof: Wolfgang Däubler ist herausragender Spezialist vor allem für europarechtliche Fragestellungen.

 am Dienstag, 12. Mai -  Besuch „Heiße Ecke“ im Schmidt’s Tivoli

        3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg       

          Mo. – Mi., 11. – 13. Mai 2009          

           (Beginn Mo. 11.00 Uhr; Ende Mi., ca. 14.00 Uhr))

   Information und Anmeldung: kanzlei@steenrae.de  und www.seminare37absatz6.de

 

Sonderkündigungsschutz auch für den Abfallbeauftragten

„Hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Betriebsbeauftragten für Abfall bestellt, so ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig. Das Arbeitsverhältnis kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der Sonderkündigungsschutz setzt eine wirksame Bestellung als Abfallbeauftragter voraus. Die Bestellung bedarf der Schriftform und wird regelmäßig gesondert dokumentiert. Im Einzelfall kann sie bereits im schriftlichen Arbeitsvertrag erfolgen.“ Dies hat das Bundesarbeitsgericht jetzt gegen die Vorinstanzen entschieden.

Der Fall: Der Kläger war seit dem 2. Mai 2006 bei der Beklagten angestellt. Im Arbeitsvertrag ist festgehalten, dass dem Kläger neben seiner Tätigkeit als Betriebsleiter auch die des Betriebsbeauftragten für Abfall oblag. Die Beklagte erstellte im Mai 2006 ein Organigramm, das den Kläger als Abfallbeauftragten auswies. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 24. November 2006 und bot dem Kläger eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen an.

Die ordentliche Kündigung ist wegen Verstoßes gegen den in § 55 Abs. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) geregelten Sonderkündigungsschutz nichtig. Die Beklagte hatte den Kläger mit Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags wirksam zum Abfallbeauftragten bestellt.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. März 2009 - 2 AZR 633/07)

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 “Kurzarbeit und Sozialplan erfolgreich verhandeln“

Entlassungen, Kurzarbeit, Wann welche Forderungen, Sozialplanvolumen – flexibel, verhandelbar, Verhandlungsablauf und –taktiken        

mit Holger Schnoor, Kommunikationstrainer und ehem. BR Versicherungswirtschaft

3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg - Mo. – Mi., 22. - 24. Juni  2009      

   Information und Anmeldung: kanzlei@steenrae.de  und www.seminare37absatz6.de

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BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT  Nr. 02 / 2009

 

kein Verfall von Urlaub bei Krankheit 

Bahnbrechende Entscheidung des EuGH

Diskriminierung bei Beförderung

     LAG Berlin wagt sich vor – Beweis per Statistik

Gleichgeschlechtliche Betriebsrente

 BAG geht neue Wege

Widerspruch ist kein Missbrauch

 Übergang in Service-Gesellschaft

rechtzeitig Aufwachen … rät das LAG Köln

 ►►►    neu +++ neu +++ neu

 “Sozialplan erfolgreich verhandeln“

Entlassungen, Kurzarbeit, Wann welche Forderungen stellen, Verhandlungsablauf und -taktiken

3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg -  Mo. – Mi., 22. - 24. Juni  2009

 

►►► Europa-Seminar:

       „Europa – Einfluss auf das Arbeitsrecht“        

          mit Prof. Wolfgang Däubler                                        

Entscheidungen des EuGH greifen immer stärker in das deutsche Arbeitsrecht ein. Aber auch die europäische Kommission ist nicht untätig, zuletzt mit der Erweiterung der Möglichkeiten für Europäische Betriebsräte.

Prof: Wolfgang Däubler ist herausragender Spezialist vor allem für europarechtliche Fragestellungen.

            am Dienstag, 12. Mai -  Besuch „Heiße Ecke“ im Schmidt’s Tivoli

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           (Beginn Mo. 11.00 Uhr; Ende Mi., ca. 14.00 Uhr))

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kein Verfall von Urlaub bei Krankheit

Arbeitnehmer haben auch bei lang andauernder Krankheit Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub

Der Europäische Gerichtshof: „Arbeitnehmer verlieren ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub - entgegen der deutschen Rechtspraxis – nicht, wenn sie den Urlaub wegen Krankheit nicht antreten konnten. Der nicht genommene Urlaub ist in diesem Fall abzugelten. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer während des ganzen Jahres oder eines Teils da von arbeitsunfähig erkrankt war und die Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbestanden hat.

Der EuGH hatte in zwei Vorabentscheidungsverfahren darüber zu entscheiden, wie der in der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) verankerte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszulegen ist.

Das eine Ausgangsverfahren betraf einen deutschen Fall.

Der Fall:

Der Kläger war seit 1971 bei dem Beklagten beschäftigt. Er war seit 1995 immer wieder längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahr 2004 war er bis Anfang September arbeitsfähig. Anschließend war er fortlaufend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2005 krankgeschrieben. Mit seiner Klage verlangte er die Abgeltung des in den Jahren 2004 und 2005 nicht genommenen Jahresurlaubs.

Das ArbG wies die Klage ab, weil nach den Vorschriften des BUrlG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BAG der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs am Ende des Kalenderjahrs und spätestens am Ende des Übertragungszeitraums verfalle. Das gelte auch, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig gewesen sei und deshalb keinen Urlaub habe nehmen können.

Auf die Berufung des Klägers setzte das LAG Düsseldorf das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die deutsche Rechtspraxis mit der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar ist. Der EuGH verneinte dies.

.... auch über das Urlaubsjahr hinaus
Die Gründe: Es stellt einen Verstoß gegen den in der Arbeitszeitrichtlinie verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dar, wenn der Anspruch erlischt, weil der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und er deshalb seinen Urlaubsanspruch nicht ausüben konnte. Das gilt auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat. In diesen Fällen ist der nicht genommene Urlaub abzugelten.

Die Urlaubsabgeltung ist in der Weise zu berechnen, als hätte der Arbeitnehmer diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Maßgeblich ist daher das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs weitergezahlt worden wäre.

Grundsätzlich gilt allerdings, dass der gemeinschaftsrechtliche Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub weder der Gewährung bezahlten Jahresurlaubs in der Zeit eines Krankheitsurlaubs entgegensteht noch dessen Versagung, soweit der betroffene Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch während eines anderen Zeitraums ausüben kann.

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub darf aber bei einem ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmer nicht davon abhängig gemacht werden, dass er während des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Daher darf der Anspruch nur dann verfallen, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Urlaubsanspruch auszuüben. Dies ist bei einem durchgehend krankgeschriebenen Arbeitnehmer nicht der Fall.

Der Hintergrund:

Nach § 7 Abs.3 S.1 BUrlG muss der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Lediglich bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen kann der Urlaub ins Folgejahr übertragen werden. Er muss in diesem Fall gemäß § 7 Abs.3 S.3 BUrlG in den ersten drei Monaten des Folgejahres genommen werden. Tarifverträge können allerdings insoweit eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung vorsehen.

Der Urlaub ist gemäß § 7 Abs.4 BUrlG abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Das BAG hat § 7 BUrlG bislang dahingehend ausgelegt, dass der Urlaubsanspruch komplett entfällt und damit auch nicht abzugelten ist, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums krank war und deshalb keinen Urlaub antreten konnte.

(EuGH 20.01.2009, C-350/06 u. C-520/06)

Anmerkung: Das Urteil geht über den Einzelfall hinaus. Zumindest für den gesetzlichen Mindesturlaub (4 Wochen) kann es in Zukunft keinen Verfall mehr geben, auch nicht bei Krankheit. Der Urlaub ist in „gesunden Zeiten“ zu nehmen.

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 “Sozialplan erfolgreich verhandeln“

Entlassungen, Kurzarbeit, Wann welche Forderungen, Sozialplanvolumen – flexibel, verhandelbar, Verhandlungsablauf und –taktiken        

mit Holger Schnoor, Kommunikationstrainer und ehem. BR Versicherungswirtschaft

3-Tages-Seminar im Hotel Hafen Hamburg -  22. - 24. Juni  2009      

   Information und Anmeldung: kanzlei@steenrae.de  und www.seminare37absatz6.de

 

Diskriminierung bei Beförderung

Beweis per Statistik – „rein männliche Führungsetage“

Einer Klägerin, die wegen ihres Geschlechts bei einer Beförderungsentscheidung (zur Personalleiterin) diskriminiert worden war, hat jetzt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Entschädigung und Schadensersatz zugesprochen.

Das besondere an dem Fall:

Die Klägerin hat eine Statistik vorgelegt, nach der sämtliche 27 Führungspositionen nur von Männern besetzt waren (bei einer Verteilung von 2/3 Frauen in der Belegschaft). Dies hat das Gericht als ausreichendes Indiz für die Diskriminierung gelten lassen.

Ebene             Männer           Frauen            Gesamt

Ebene 1: Vorstand       3          0           3

Ebene 2: Direktoren   15         0          15

Ebene 3: Bezirksdirektoren     9          0           9

Ebene 4: Abteilungsdirektoren            8          4          12

Ebene 5: stellvertretende Bezirksdirektoren   3          1           4

Ebene 6: Abteilungsleiter       12       19         31

Ebene 7: Fachreferenten         2          3           5

Ebene 8: Fachjuristen              6          1           7

Ebene 9: sonstige AT-Mitarbeiter      34       24         58

gesamt:           92       52       144

Gesamtbelegschaft:   348      780      1128

Gesamtbelegschaft in %       31 %    69 %       

Außerdem seien in den höchsten zwei Gehaltsstufen des Tarifvertrages und im außertariflichen Bereich 2/3 aller Männer und 1/3 aller Frauen eingruppiert.

Die Klägerin hat auch vorgetragen, durch Äußerungen der Vorgesetzten herabgewürdigt und eingeschüchtert worden zu sein („nahe gelegt, über ihre berufliche Zukunft nachzudenken, ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzuhalten, obwohl keine Pflichtverletzungen vorlagen“).

Da der Arbeitgeber keine Stellenausschreibung oder sonstige schriftlich dokumentierte Auswahlkriterien vorleget hatte, wurden die Indizien nicht widerlegt. Die Firma konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin nicht die am besten geeignete Bewerberin gewesen war.

Als Schadensersatz hat das Landesarbeitsgericht die Vergütungsdifferenz zu derjenigen Position, in die die Klägerin nicht befördert worden war, zugesprochen – dies auch unbegrenzt für die Zukunft.

Wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts wurden der Klägerin darüber hinaus EUR 20.000,00 als Entschädigung wegen des immateriellen Schadens zugesprochen.

Das Landesarbeitsgericht hat für Teile der Entscheidung die Revision zugelassen.

(Landesarbeitgericht Berlin-Brandenburg v. 28.11.2008  Az.: 15 Sa 517/08).

 

Gleichgeschlechtliche Betriebsrente

Lebenspartner können Anspruch auf Gleichbehandlung haben

Eine betriebliche Hinterbliebenenversorgung für Ehegatten kann grundsätzlich auch dem Überlebenden einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zustehen. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien am 01.01.2005 noch ein Rechtsverhältnis bestand. Das BAG hat offen gelassen, ob dazu ein Arbeitsverhältnis erforderlich ist, oder ob es ausreicht, wenn der Arbeitnehmer am 01.01.2005 Betriebsrentenansprüche oder eine unverfallbare Betriebsrentenanwartschaft hatte.

(BAG Urteil v. 14.01.2009, 3 AZR 20/07)

 

Widerspruch ist kein Missbrauch

Betriebsübergang - Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses - kein Rechtsmissbrauch

Bei einem Betriebsübergang kann ein Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber innerhalb eines Monats nach der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Übt der Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht aus, muss er dieses weder begründen, noch bedarf es eines sachlichen Grundes. Zwar kann grundsätzlich auch die Ausübung des Widerspruchsrechts im Einzelfall rechtsmissbräuchlich erfolgen. Der widersprechende Arbeitnehmer verfolgt aber keine unzulässigen Ziele, wenn es ihm nicht ausschließlich darum geht, den Arbeitgeberwechsel zu verhindern, sondern wenn er mit dem Betriebserwerber über den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu günstigeren Bedingungen verhandelt.

noch Verhandlungen über bessere Bedingungen
 Der Fall: Der Kläger war bei der beklagten Sparkasse als Immobilienfachberater beschäftigt. Deren Immobilienvermittlungsgeschäft sollte auf eine Vertriebs-GmbH übertragen werden. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH, erklärte sich aber bereit, als Beschäftigter der Sparkasse bei der GmbH im Wege der Personalgestellung zu arbeiten. Bei seiner Auffassung, Arbeitnehmer der Beklagten zu sein, blieb der Kläger auch nach erfolglos verlaufenen Verhandlungen über den Abschluss eines neuen, besseren Arbeitsvertrages mit der GmbH und nachdem er schließlich im Betrieb der GmbH seine Arbeit fortsetzte.

Der Antrag des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien war in allen drei Instanzen erfolgreich. Auch das Bundesarbeitsgericht hielt die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Kläger nicht für rechtsmissbräuchlich und sein Festhalten am Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht für treuwidrig. Es steht dem Arbeitnehmer frei, nach dem Widerspruch mit dem Betriebsveräußerer oder dem Betriebserwerber über ein Arbeitsverhältnis auf neuer Grundlage zu verhandeln. Auch mit der Arbeit für den Betriebserwerber hat sich der Kläger nicht widersprüchlich verhalten; zudem hat er stets auf seinem rechtlich zutreffenden Standpunkt beharrt, infolge seines Widerspruchs Arbeitnehmer der Beklagten geblieben zu sein.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2009 - 8 AZR 176/08 –

 

rechtzeitig Aufwachen

Wiederholtes Zuspätkommen kann Kündigung rechtfertigen

Kommt ein Arbeitnehmer wiederholt in erheblichem Umfang zu spät zur Arbeit, so kann dies jedenfalls dann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn eine Ermahnung und zwei Abmahnungen erfolglos geblieben sind. Voraussetzung für eine Kündigung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer das Zuspätkommen zu vertreten hat. Hiervon ist jedoch bei einem mehrfachen Verschlafen regelmäßig auszugehen.“

So das LAG Köln im Urteil v. 20.10.2008, 5 Sa 746/08

 

NewsLetter

Dieser NewsLetter BETRIEBSRAT erscheint regelmäßig und wird per E-Mail kostenlos an alle Interessenten versandt, die sich angemeldet haben. Wir berichten darin über aktuelle Änderungen im Arbeitsrecht und Urteile der Arbeitsgerichte, die für die BR-Arbeit wichtig sein können.

Sie können sich für den NewsLetter anmelden auf unserer Internetseite www.steenrae.de oder per E-Mail unter kanzlei@steenrae.de.

 

BETRIEBSRAT -  NEUES IM ARBEITSRECHT  Nr.  01 / 2009

Weihnachtsgeld – trotz BV-Kündigung

„freiwillig“ schützt den Arbeitgeber nicht

Wer zu früh kommt …. kann trotzdem Glück  haben – Abfindung bei Eigenkündigung?

Gleichbehandlung bei Lohnerhöhung

über alle Betriebe – auch wenn Überstunden verweigert   wurden

politische Äußerungen des BR

zulässig Beispiel: Irak-Krieg

 

Weihnachtsgeld – trotz BV-Kündigung

Arbeitgeber können auch bei Kündigung der entsprechenden Betriebsvereinbarung zur Zahlung von Weihnachtsgeld verpflichtet sein

Eine Betriebsvereinbarung, in der sich der nicht tarifgebundene Arbeitgeber zur Zahlung eines Weihnachtsgelds verpflichtet hat, wirkt nach ihrer Kündigung gemäß § 77 Abs.6 BetrVG nach, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Dies hat das Bundesarbeitsgericht jetzt ausdrücklich für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber festgestellt.

Der Fall: Die Klägerin ist seit 1994 in einem Senioren- und Pflegezentrum beschäftigt. Sie erhielt seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Rechtsgrundlage hierfür war eine Betriebsvereinbarung. Diese kündigte die Beklagte fristgerecht zum 31.12.2001. Nachdem die anschließenden Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di über einen Haustarifvertrag im Herbst 2005 gescheitert waren, stellte die Beklagte die Weihnachtsgeld-Zahlungen ein.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die Zahlung des Weihnachtsgelds für das Jahr 2005. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hob das BAG diese Entscheidungen auf und gab der der Klage statt.

Das BAG hierzu: „Da nicht tarifgebundene Arbeitgeber mitbestimmungsrechtlich die gesamte Vergütung "freiwillig" leisten, führt der Wegfall des Weihnachtsgelds zu einer mitbestimmungspflichtigen Änderung der Entlohnungsgrundsätze, so dass § 77 Abs.6 BetrVG einschlägig ist.

Zwar ist die Betriebsvereinbarung, die Rechtsgrundlage der Zahlung war, wirksam gekündigt. Die Betriebsvereinbarung wirkt aber nach. Die Nachwirkung gemäß § 77 Abs.6 BetrVG betrifft Angelegenheiten, die der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterfallen. Im Streitfall ergibt sich ein solches Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG, da die Streichung des Weihnachtsgelds zur Änderung der Entlohnungsgrundsätze im Betrieb geführt hat.

Bei jeder Streichung BR-Beteiligung
Während § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG bei tarifgebundenen Arbeitgebern - wegen des Tarifvorrangs – nur hinsichtlich des freiwillig geleisteten übertariflichen Teils der Vergütung Anwendung findet, leistet ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber sämtliche Vergütungsbestandteile "freiwillig", solange er die Arbeit überhaupt vergütet, und kann daher bei jeder Streichung eines Vergütungsbestandteils zur Beteiligung seines Betriebsrats verpflichtet sein.

Im Streitfall war mit der Streichung des Weihnachtsgelds keine gleichmäßige Absenkung des Vergütungsniveaus verbunden. Dies ergibt sich schon daraus, dass Teile der Gesamtvergütung nicht mehr als zusätzliche Einmalzahlung zu einem bestimmten Datum geleistet werden sollten. Daher lag eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsgrundsätze und folglich auch eine zwingende Angelegenheit der Mitbestimmung im Sinn von § 77 Abs.6 BetrVG vor. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld.

(BAG v. 26.08.2008 - 1 AZR 354/07) 

Merke: Es ist ein Rechenexempel festzustellen, dass hier die Summe der Einzelvergütungen (einschl. Weihnachtsgeld) bei Streichung des Weihnachtsgeldes nicht mehr „im selben Verhältnis“ wie früher gezahlt werden. Hätte der Arbeitgeber einheitlich z.B. 7 % der Gesamtvergütung bei allen gestrichen, wäre es allerdings wohl „ausgewogen im Sinne der Rechtsprechung“.

 

Wer zu früh kommt …. kann trotzdem Glück haben

Abfindung bei „vorzeitiger“ Eigenkündigung?

Ob eine „Eigenkündigung“ eine Abfindung auslösen kann, ist seit Jahren umstritten. Wer aber selbst kündigt, ohne dass im Sozialplan Klarheit über eine evtl. Abfindung besteht, geht ein hohes Risiko.

Das BAG hatte jetzt folgenden Fall zu entscheiden:

Arbeitsplätze des Betriebes waren in einen anderen Betrieb des Arbeitgebers verlagert worden. Wer nicht mitgehen wollte, musste mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen. Ein Arbeitnehmer sah die Entfernung nicht als zumutbar an und kündigte sein Arbeitsverhältnis, weil er eine anderweitige Beschäftigung antreten konnte.

Abfindungen waren im Sozialplan nur für betriebsbedingte Kündigungen oder durch den Arbeitgeber veranlasste Aufhebungsvereinbarungen vorgesehen. Der Arbeitgeber zahlte dem Arbeitnehmer also keine Abfindung.

Betriebliche Veranlassung reicht
Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten des Klägers. Begründung: Die (Eigen-)Kündigung war auf jeden Fall betrieblich veranlasst.

(BAG v. 20.05.2008 – 1 AZR 203/07)

 

betriebsübergreifende Gleichbehandlung bei Lohnerhöhung

„Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung von Arbeitnehmern gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage.“

Das hat das BAG in einem Fall unterschiedlicher Lohnerhöhungen in verschiedenen Niederlassungen entschieden.

Gebot der Gleichbehandlung
Zitat: „Im Bereich der Vergütung greift das Gebot der Gleichbehandlung ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund einer generellen Regelung gewährt. Ist die Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt, sondern bezieht sie sich auf alle oder mehrere Betriebe seines Unternehmens, ist auch die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer betriebsübergreifend zu gewährleisten. Eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Betriebe setzt voraus, dass es hierfür sachliche Gründe gibt.“

In dem Fall ging es um ein Logistik- und Paketdienstleistungsunternehmen mit bundesweit ca. 15.000 Arbeitnehmer in zahlreichen Niederlassungen. Der Kläger war im Betrieb G. als Zusteller tätig. Zum 1. September 2005 erhöhte die Beklagte freiwillig die Vergütung ihrer Arbeitnehmer um 2,1 Prozent. In sechs Betrieben wandte sie einen anderen Erhöhungssatz an, die Mitarbeiter in G. erhielten – als Einzige - überhaupt keine Erhöhung. Die Beklagte hat hierfür geltend gemacht,

- die Löhne im Betrieb G. lägen deutlich über denen der anderen Niederlassungen in Hessen,

- die Kosten je befördertem Paket seien in G. am höchsten und

- die flexible Mehrarbeit werde durch die betrieblichen Regelungen in G. nicht ausreichend zugelassen.

Der Kläger verlangt nun die Lohnerhöhung von 2,1 %. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe eine sachgerechte Gruppenbildung vorgenommen. Dem ist der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt. Zwar kann ein unterschiedliches Ausgangsniveau der Löhne ebenso wie der unterschiedliche betriebswirtschaftliche Erfolg der Betriebe und eine höhere Leistungsanforderung in einzelnen Betrieben eine unterschiedliche Behandlung bei Lohnerhöhungen rechtfertigen. Hierfür hätte es aber eines unternehmensweiten Vergleichs aller Betriebe der Beklagten - unter Einbeziehung der Gründe für die bestehenden Unterschiede - bedurft. Auf etwaige Regelungen in anderen Betrieben, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Überstunden unzulässig beschränken, kann sich die Beklagte nicht berufen. Der Senat hat deshalb das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung der Sachgründe an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 5 AZR 74/08 -)

 

politische Äußerungen des BR zulässig

Betriebsrat muss nicht jede politische Äußerung unterlassen

Arbeitgeber und Betriebsrat müssen gemäß § 74 Abs.2 S.2 BetrVG zwar grundsätzlich jede parteipolitische Betätigung im Betrieb unterlassen. Hieraus folgt aber nicht, dass der Betriebsrat sich überhaupt nicht politisch äußern darf. Unzulässig ist nur die Betätigung für oder gegen eine bestimmte politische Partei oder politische Richtung. Dem Betriebsrat kann daher eine Äußerung zu Themen, die in Deutschland parteipolitisch nicht gebunden sind (hier: Irak-Krieg), regelmäßig nicht untersagt werden.

Der Fall: Der Arbeitgeber gehört zu einem Konzern mit amerikanischer Mutter. Der Konzern stellt Rüstungsgüter her, die unter anderem im Irak-Krieg zum Einsatz kamen.

Der Betriebsrat veröffentlichte im April 2003 einen Aufruf, mit dem er die Arbeitnehmer aufforderte, eine Aktion des Europäischen Betriebsrats gegen den Irak-Krieg zu unterstützen. Im Oktober 2007 informierte der Betriebsrat die Belegschaft über einen Volksentscheid in der Stadt H., mit dem eine Volksabstimmung eingeführt werden sollte. Gleichzeitig forderte er die Arbeitnehmer auf, sich an diesem Volksentscheid zu beteiligen. Der Volksentscheid war parteipolitisch umstritten. Insbesondere die örtliche CDU war gegen diesen Volksentscheid.

Das Gericht: Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass der Betriebsrat sich nicht zu Themen wie dem Irak-Krieg äußert. Der Betriebsrat muss allerdings einen Aufruf zur Beteiligung an einem Volksentscheid unterlassen.

nur parteipolitische Äußerung verboten
Nach § 74 Abs.2 S.2 BetrVG müssen Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich parteipolitische Betätigungen unterlassen. Unter "parteipolitisch" ist jede Betätigung für oder gegen eine Partei zu verstehen. Verboten ist darüber hinaus auch das Eintreten für oder gegen eine bestimmte politische Richtung. Allerdings ist die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, gemäß § 74 Abs.2 S.2 2.Hs. BetrVG vom Verbot parteipolitischer Betätigung ausgenommen.

Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei den Äußerungen des Betriebsrats zum Irak-Krieg nicht um eine parteipolitische Betätigung im Sinn von § 74 Abs.2 S.2 BetrVG. Es fehlt an einem Bezug zur deutschen Politik, da die Meinungen in Deutschland zum Irak-Krieg nicht parteipolitisch gebunden waren. Im Übrigen handelte es sich hierbei auch um eine wirtschaftliche Angelegenheit, die die Arbeitnehmer unmittelbar betraf. Da der Arbeitgeber Teil eines amerikanischen Konzern ist, der auch für den Irak-Krieg Rüstungsgüter hergestellt hat, durfte der Betriebsrat die ethische Frage aufwerfen, ob man mit der eigenen Arbeit den Krieg unterstützen solle.

Bei dem Aufruf des Betriebsrats zur Beteiligung an dem Volksentscheid handelte es sich allerdings um eine unzulässige parteipolitische Aktivität.

- Rechtsbeschwerde beim BAG zugelassen –

(LAG Schleswig-Holstein  v. 30.09.2008 -  2 TaBV 25/08)

 

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